In dubio pro Leo – Die #LaTdH vom 11. Mai
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Deutschland hat einen neuen Bundeskanzler, Rom einen neuen Bischof! Beide Kandidaten kamen durch geheime Wahl ins Amt und schafften es nicht im ersten Wahlgang – damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Während es die Kardinäle im Konklave recht schnell schafften, die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande zu bringen, damit das „Gaudium magnum“ eines neuen Papstes verkündet werden konnte, brauchten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD die gleiche Mehrheit schon für den von der Geschäftsordnung abweichenden zweiten Wahlgang am gleichen Tag. Das ging nicht ohne Zustimmung der anderen Parteien. Und so kommentierte Ricarda Lang unter dem X-Post von Bundeskanzler Friedrich Merz, der ihn beim Ablegen des Amtseides inklusive der religiösen Beteuerung „So wahr mir Gott helfe“ zeigte, frotzelnd: „Und die Grünen. Und die Linken.“
Die traditionelle Formel sei ein „politisches Statement“, frohlockt ein Springer-Volontär in der WELT: Merz sende „ein Signal an sein konservatives Lager und an all jene, die in Religion noch Orientierung sehen“. Von „großer Freude“ über die neue Bundesregierung ist in Deutschland allerdings wenig zu spüren, auch nicht bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die dem Bundeskanzler nicht ohne kritische Untertöne gratulierten.
Der Zweckehe der „Blackrot“-Partner, die man in früheren Zeiten „Große Koalition“ genannt hätte, fehlt sowohl die gesellschaftliche Aufbruchstimmung des „rot-grünen Projekts“, mit der 1998 der ewige Bimbes-Kanzler Helmut Kohl abgelöst wurde, als auch das ikonische Bild des Instagram-Selfies, mit dem Grüne und FDP zum Start der „Ampel“ vermitteln wollten, nun sei die „Generation Pragmatismus“ an der Macht. 2025 tritt eine neue Bundesregierung an – und bringt ihre alten Netzwerke gleich mit: Noch am Morgen ihrer Amtseinführung stehen einige Minister:innen im Lobbyregister des Bundestages. Die Initiative „Abgeordnetenwatch“ hat am gleichen Tag die Lobby-Akte des Kabinetts Merz veröffentlicht. Die darin zusammengestellten Affären und Interessenskonflikte lassen wenig Gutes für die Zukunft erwarten.
Eine interessante religionspolitische Personalie ist den meisten Medien nach meinem Eindruck bisher ziemlich durchgerutscht: Petra Bahr, bisher Regionalbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, wird Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Karin Prien (CDU), der ersten jüdischen Bundesministerin in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Theologin, die auch Mitglied des Deutschen Ethikrats ist, stand nach Tätigkeiten für die FEST in Heidelberg, als erste EKD-Kulturbeauftragte, und die Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin seit 2017 an der Spitze des Sprengels Hannover.
Einen guten Start in die neue Woche
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach
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Debatte
Annuntio vobis gaudium magnum; habemus Papam! (vatican.va)
„Leo XIV.“ – für diesen Namen hat sich der am frühen Donnerstagabend durch „kanonische Wahl“ im Konklave zum Papst gekürte Kardinal Robert Francis Prevost entschieden, bisher Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, also eine Art „Personalchef“ der römisch-katholischen Weltkirche. Für die meisten sicher ein „Überraschungskandidat“, jedenfalls kein „Favorit“ unter den papabile. Ein wichtiger Funktionsträger der Kurie im Vatikan, der aber vorher ausreichend Erfahrung an der „Peripherie“ der Kirche, an der Franziskus viele neue Kardinäle gefunden und zu zukünftigen Papstwählern gemacht hatte, sammeln konnte.
Zehntausende Gläubige auf dem Petersplatz und vermutlich Hunderte Millionen Zuschauer an ihren Bildschirmen verfolgten das traditionelle Schauspiel der Wahl eines neuen „Pontifex Maximus“ inklusive weißem Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle, der Verkündung der erfolgreichen Wahl durch den Kardinalprotodiakon und den ersten Auftritt des neuen Papstes auf der Benediktionsloggia des Petersdoms. Noch am Abend stellte der Osservatore Romano eine kurze Biographie online, auch das Wappen und ein offizielles Foto des neuen Papstes folgten inzwischen.
In seiner ersten Ansprache an die Kardinäle hat Leo XIV. erwartungsgemäß seine „volle Zustimmung“ zum Weg der römisch-katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt und eine Fortsetzung des Kurses seines Vorgängers Franziskus angekündigt. In Erinnerung an Papst Leo XIII., der in seiner Enzyklika „Rerum Novarum“ die soziale Frage des ausgehenden 19. Jahrhunderts behandelte, habe er sich für seinen Namen Leo XIV. entschieden:
Heute bietet die Kirche allen den Schatz ihrer Soziallehre an, um auf eine weitere industrielle Revolution und auf die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zu antworten, die neue Herausforderungen im Hinblick auf die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit mit sich bringen.
„Den Kardinälen ist mit der Papst-Wahl ein handfester Coup gelungen“ (FB2 der Uni Münster)
Die Professor:innen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster äußern sich auf der Website ihres Fachbereichs zur Wahl und zu möglichen Themen des neuen Papstes. Erwartet wird ein „sozialer Papst und Brückenbauer“ (Hubert Wolf), „sozialethisch, aber auch ökumenisch vielversprechend“ (Regina Elsner), ein „erfahrener Diplomat“, der „den Tyrannen der Welt wie Trump und Putin die Stirn bieten“ werde (Thomas Schüller; ausführlicher auch bei feinschwarz.net), ein „pragmatischer Reformer“, „weltgewandt und hochpolitisch“ (Christian Bauer), ein „weltkirchlich erfahrener und global vernetzter Ordensmann“ (Marianne Heimbach-Steins) oder ganz einfach ein „guter Mann mit einem guten Herzen“ (Daniel Minch).
Der Wiener Theologe Paul M. Zulehner hatte in seinem Blog die Wahl von Kardinal Prevost vorhergesagt, allerdings auf den Papstnamen „Bonaventura“ getippt; alternativ hätte er sich auch Luis Antonio Kardinal Tagle von den Philippinen als Papst „Franziskus II.“ vorstellen können.
Leo: Gedankenspiele zu einem geschichtsträchtigen Namen – Simone Parise (feinschwarz.net)
Inmitten der vielen Stimmen zur Papstwahl unternimmt Simone Parise im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net den Versuch, dem Namen Leo gedankenspielerisch und historisch nachzuspüren. Er erinnert an die lateinische Inschrift über den siegreichen „Löwen aus dem Stamme Juda“ auf dem Obelisken des Petersplatzes, an Giuseppe Verdis Oper „Attila“, in der Papst Leo I. dem Hunnenkönig entgegentritt, und an Leo XIII., einerseits ein Papst der Isolation im Vatikan, andererseits Autor von 86 Enzykliken, mit denen er Brücken zur Welt zu schlagen versuchte:
Mit der Enzyklika Testem benevolentiae (1899) verurteilte er den sogenannten „Amerikanismus“ – also die Bemühung, den Katholizismus stärker an die Prinzipien von Freiheit, Demokratie und Pluralismus anzupassen. Ist es nur eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der erste US-amerikanische Papst den Namen Leo wählt? (…)
Viele hoffen auf eine Kontinuität mit Papst Franziskus. Wer weiß, ob sich Robert Francis Prevost bei seiner Namenswahl nicht auch von Bruder Leo, dem engen Freund und Weggefährten des heiligen Franz von Assisi, inspirieren liess? Eine „franziskanische“ Kontinuität zwischen den beiden Päpsten wäre bedeutsam – und tröstlich.
Leo XIV. – der erste US-amerikanische Papst als „Anti-Trump“?
Im Interview mit SWR Kultur bekräftigte Matthias Drobinski die These aus seinem Kommentar (€) in Publik-Forum, die Kardinäle hätten sich für einen „Anti-Trump“ entschieden. Die aktuelle US-Migrationspolitik jedenfalls sehe Prevost kritisch. Auch Stefan Hunglinger spekuliert in der taz darauf, der „Gesamtamerikaner“ Leo XIV. könne „ein Gegengewicht werden zu Donald Trump und seinem katholischen Vizepräsidenten J.D. Vance“. Ins gleiche Horn stößt der Sozialethiker Markus Vogt im Interview mit der KNA:
Liest man zwischen den Zeilen und weiß um seine Themen, ist Leo XIV. ein klarer Antipode zum US-Präsidenten: in der Friedensethik, in der Wirtschaftsethik, in der Einstellung zur Demokratie und beim Thema Verantwortung für andere.
Prevost kann für die USA werden, was Wojtyla für Polen wurde – Felix Neumann (katholisch.de)
Donald Trump, „ein Clown als Präsident“, der vor dem Konklave noch ein KI-Bild von sich als Papst über seine Social-Media-Kanäle viral gehen ließ, begrüßte die Wahl eines „Landsmanns“ zum Papst voller „excitement“, so als handle es sich um eine weitere Goldmedaille für die USA bei den Olympischen Spielen. Dass der Präsident wirklich Grund zur Freude habe, bezweifelt indes Felix Neumann in seinem „Standpunkt“ bei katholisch.de: Kaum ein Kirchenmann sei bisher kritischer gegenüber der Politik der US-Administration aufgetreten als Kardinal Prevost.
Dabei hat dieser Papst Leo XIV. das Potential, für Trumps Regime das an die Wand zu malen, was die Wahl von Johannes Paul II. für Polens kommunistisches Regime bedeutete. Der Papst hat keine Divisionen. Er hat etwas viel Mächtigeres: Hoffnung auf Anstand, Freiheit und Gerechtigkeit gegen Ressentiments, Unterdrückung und Verfolgung. Mit der Wahl dieses US-Amerikaners zum Papst haben die Kardinäle dafür ein starkes Zeichen gesetzt.
Kein Übermensch – Benjamin Leven (Communio)
Die Oberflächlichkeit vieler medialer Schnellschuß-Statements am Wahlabend spießt Benjamin Leven in seinem letzten „Rauchzeichen“ aus Rom auf, ein Online-Tagebuch, in dem er das Konklave auf der Website der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio begleitet hatte:
Manche Kommentare scheinen mehr Ausdruck von Projektionen und Wunschdenken zu sein als begründete Analysen. Diese Kaffeesatzleserei hat auch damit zu tun, d