Kein "Magic Moment" / Theologe erklärt die Wandlung der Oblate zum Leib Christi
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DOMRADIO.DE: Am kommenden Donnerstag ist Fronleichnam, wir übertragen als DOMRADIO.DE den Freiluftgottesdienst und die Prozession durch die Kölner Innenstadt. Der Ursprung des Festes geht auf Juliana von Lüttich im 13. Jahrhundert zurück. Feste gibt es im Kirchenjahr schon reichlich und die Messe wird täglich ja sowieso weltweit gefeiert. Warum also dieses besondere Fest?
Prof. Dr. Marco Benini (Leitung Wissenschaftliche Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier): Juliana von Lüttich hatte eine Vision: Sie sah den Mond mit einem dunklen Fleck, den sie als das Fehlen eines Festes zur Eucharistie deutete. Daraufhin hat sie ihren Bischof in Lüttich davon überzeugt, ein solches Fest 1246 einzuführen. Das Interessante war, dass der Erzdiakon von Lüttich später Papst geworden ist, nämlich Urban IV. Der hat dieses Fest 1264 weltweit eingesetzt. Der Gedanke des Festes ist, in der Eucharistie das Geschenk der Liebe Jesu herauszustellen und zu feiern, dass er noch heute als Brot des Lebens, als Nahrung für uns da ist. Es ist ein Ideenfest. Anders als Weihnachten oder Ostern geht es nicht auf einen einzelnen Aspekt des Lebens Jesu unmittelbar zurück. Die Eucharistie feiert das ganze Leben Jesu, seine Hingabe für uns, sein Sterben und Auferstehen, und seine Gegenwart, seine bleibende Gegenwart in den konsekrierten Gestalten von Brot und Wein.
DOMRADIO.DE: Fronleichnam wird 60 Tage nach Ostern gefeiert. Warum gibt es denn diese enge Verbindung zum Osterfest von Fronleichnam?
"Die Eucharistie ist immer auch ein österliches Sakrament. Es ist ja der Auferstandene selbst, der in unsere Mitte tritt."
Benini: Man hat den ersten Donnerstag nach der damaligen Pfingstoktav gewählt. Donnerstag deswegen, weil Jesus am Gründonnerstag beim Letzten Abendmahl die heilige Eucharistie eingesetzt hat. Während aber am Gründonnerstag die Eucharistie mit Blick auf seine Hingabe am Kreuz am Karfreitag im Vordergrund steht, geht es an Fronleichnam stärker um den österlichen Aspekt.
Die Eucharistie ist immer auch ein österliches Sakrament. Es ist ja der Auferstandene selbst, der in unsere Mitte tritt mit seinem Leib und Blut und in der Kommunion uns sein österliches Leben schenkt. Jede Messe ist daher wie ein Ostern in uns.
DOMRADIO.DE: Die Oblate wird zum Leib Christi in der katholischen Überzeugung. Diese Wandlung geschieht in der Messe, in der Eucharistiefeier. Ab wann wird denn aus der Oblate dann tatsächlich der Leib Christi? Gibt es da so eine Art Wort, eine Geste, ab der man dann sagen kann, so ab jetzt ist es der Leib Christi?
Benini: Das ganze eucharistische Hochgebet hat konsekratorische, wandelnde Wirkung. Natürlich sind die Worte Jesu, "Das ist mein Leib, das ist mein Blut" zentral. Ursprünglich hatte man, wenn wir historisch die Sache ansehen, in der Westkirche vor allem diese Einsetzungsworte als die zentralen wirkenden Worte angesehen. Schon Ambrosius von Mailand hat etwa gesagt, wenn Gott durch sein Wort die Welt erschaffen kann, wie viel mehr kann er durch dieses Wort aus Brot und Wein Leib und Blut Christi machen.
Die Ostkirche hatte stärker auf den Heiligen Geist und die Epiklese, also die Herabrufung des Geistes, Wert gelegt, weil es etwa in der Chrysostomus-Liturgie heißt: "Leib und Blut wandelnd durch den Heiligen Geist". Cyrill von Jerusalem hatte gesagt: "Alles, was der Heilige Geist berührt, wird geheiligt und verwandelt." Insofern sieht man, dass im Osten der Schwerpunkt auf der Epiklese liegt, im Westen auf den sogenannten Wandlungsworten. Beides ist richtig!
Spannend ist, dass etwa beim Unionskonzil von Ferrara-Florenz 1438, als man die Einheit zwischen West- und Ostkirche wiederherstellen wollte, man sich auf eine Kompromisslösung geeinigt hat: "Die Worte Christi sind wie die Samenkörner, die durch den Heiligen Geist wachsen und Frucht bringen." Beides, die Einsetzungsworte und die Epiklese bewirken die Wandlung.
"Das ganze Hochgebet hat konsekratorische Kraft, nicht nur sozusagen ein 'Magic Moment'."
Man kann das noch ausweiten auf das ganze Hochgebet. Da gehört die Anamnese, also das vergegenwärtigende Gedenken, zentral dazu. Da heißt es ja nach dem "Geheimnis des Glaubens": "Darum feiern wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung deines Sohnes." Das bedeutet: Das, was Jesus beim letzten Abendmahl mit dem gebrochenen Brot und dem vergossenen Wein vorweggenommen hat, nämlich seine Hingabe am Kreuz und seine Auferstehung, das hat er uns aufgetragen, weiterzuführen: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" - und genau das tun wir! Wir feiern sein Sterben und Auferstehen in jeder Heiligen Messe. Und das ist das ganz Zentrale unseres Glaubens und auch der Eucharistie. Insofern gehört auch die Anamnese und dieses Gedächtnisgebet zu jedem eucharistischen Hochgebet. Insofern muss man sagen, das ganze Hochgebet hat konsekratorische Kraft, nicht nur sozusagen ein "Magic Moment".
DOMRADIO.DE: Hokuspokus als Pseudozauberspruch bezieht sich ja aber genau auf die lateinischen Worte des Hochgebetes. Wie kann man denn klar machen, es geht bei der Wandlung eben nicht um Magie, nicht um Zauberei?
Benini: Es ist Jesus Christus, der seinen Leib gegenwärtig setzt, und der Priester darf durch die Weihe in seiner Person handeln. Der Priester sagt ja, "das ist mein Leib" nicht von sich persönlich, sondern er leiht Jesus Christus die Stimme. Damit hören Brot und Wein auf, einfach nur Brot und Wein zu sein, weil Jesus Christus sie sich zu eigen nimmt durch die Worte "Das ist mein Leib, mein Blut", durch die Kraft des Geistes, durch das ganze Hochgebet.
"Das Wesen von Brot und Wein wird gewandelt in die Person des Auferstandenen, während das Äußere der Hostien gleich aussieht."
Man nennt das die Transsubstantiation: Die Substanz, das heißt das Wesen von Brot und Wein, wird gewandelt in die Person des Auferstandenen, während das Äußere der Hostien gleich aussieht. Jesus selber bewirkt diese Wandlung, um selbst gegenwärtig zu sein. Konnte er auf Erden jeweils nur an einem Ort, bei einzelnen Menschen gegenwärtig sein, kann er es jetzt eben überall tun, weil er auferstanden ist und damit nicht mehr an Zeit und Raum gebunden ist. Er gewährt seine Nähe besonders in der Form, die er selbst dafür ausgesucht hat, nämlich in der heiligen Eucharistie.
DOMRADIO.DE: Seit knapp 800 Jahren gehört zum Fest ja auch eine Prozession. Die Kölner sind stolz darauf, dass wohl vermutlich die erste Prozession in einer Kölner Pfarrei gewesen ist. Warum "muss" man denn an Fronleichnam überhaupt raus aus der Kirche?
Benini: Man darf raus aus der Kirche, würde ich sagen (lacht). Es geht darum, dass wir diesen Glauben nicht nur für uns behalten, sondern ihn auch zeigen dürfen.
"Dann entwickelte bald die Prozession, die zeigen will, dass Jesus auch durch unsere Straßen geht, da wo wir leben und arbeiten, da will Christus gegenwärtig sein."
Ursprünglich war Fronleichnam nur die Messe. Dann entwickelte bald die Prozession, die zeigen will, dass Jesus auch durch unsere Straßen geht, da wo wir leben und arbeiten, da will Christus gegenwärtig sein. Das zeigt auch schön die Verbindung von Eucharistie und Leben. Wir feiern ja Eucharistie nicht einfach nur, um einen Ritus zu tun, sondern damit es uns selbst prägt und positiven Einfluss hat auf unser Leben, dass wir als seine Jünger selbst gewandelt werden und in diesem Sinn als lebendige Monstranzen Christus in den Alltag und zu anderen weitertragen. Monstranz heißt Zeigegefäß, "monstrare" bedeutet zeigen. Nach dem Konzil von Trient ist die Prozession umso mehr eine Demonstration für den Glauben geworden, auch mit all den schönen Formen, die eine Freude am Glauben zum Ausdruck bringen.
Bei der Entstehung der Prozession ging es darum, den Herrenleib – das ist ja die wörtliche Übersetzung von Fron-leichnam – sehen zu können. Sie entsprang der mittelalterlichen visuellen Frömmigkeit. Damals empfingen die Gläubigen die Kommunion meist nur einmal im Jahr an Ostern. Umso wichtiger war es ihnen, den Leib Christi bei der Elevation, bei dem Hochheben der Hostie im Hochgebet, zu sehen und in der Monstranz auszustellen.
Daraus entstand auch die Anbetung, die sozusagen aus der Feier der Eucharistie herausfließt. Das merken Sie ja manchmal auch heute, dass man nach der Kommunion nicht so viel Zeit hat, man würde noch länger in dieser innigen Verbindung mit dem Herrn bleiben. Die Anbetung ist wie eine verlängerte Kommunionstille, ein Kommuniongebet mit dem Herrn. Dieses Anbeten, Anschauen unterstützt, dass ich selber erfahren kann: "Ich schaue dich an, du schaust mich an."
DOMRADIO.DE: Bis heute wird ja oft großer Aufwand betrieben bei der Fronleichnamsprozession mit Blumenteppich, Baldachin, der besagte Freiluftgottesdienst. Glauben Sie, so kann man heute noch Menschen dieses Fest nahebringen oder braucht es da vielleicht in Zukunft auch andere Formen?
Benini: Diese Formen wandeln sich natürlich auch und von Ort zu Ort sind die unterschiedlich. Wo eine solche Prozession mit Freude gemacht werden kann, ist es gut, das beizubehalten und auch zu fördern, weil die Prozession die Sinne ganzheitlich anspricht.
Wenn man allerdings merkt, dass das überhaupt nicht mehr von den personellen Ressourcen her möglich ist, dass man keine Leute mehr findet, die die Altäre herrichten und solche Sachen, dann muss man anders überlegen. Bei der Jugendkirche eli.ja in Saarbrücken hatte wir am Vorabend von Fronleichnam einmal das Format: Katechese, Glaubenszeugnisse von Jugendlichen, Messe und anschließende Anbetung, wo jeder einzeln vor das Allerheiligste trat.
Wichtig scheint mir aber auch jenseits von Fronleichnam, dass man die Bedeutung der Eucharistie für unser Christsein erschließt und zeigt, wie ich aus ihrer Feier österliche Kraft und Freude für mein Leben empfange. Dazu will auch "Kommt und seht" in Köln beitragen.
INFO: DOMRADI