Die zwei Geschichten von Anfang – wissenschaftlich von vorgestern? Theo goes Schule
https://horstheller.wordpress.com/2025/07/04/zwei-geschichten-von-anfang-theo/
Horst Heller mit Nadine Glage
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Theologie ist schwer zu verstehen. So denken viele. Das muss aber nicht so bleiben, finden Nadine Glage und Horst Heller. Denn wer Religion unterrichtet, übt sich darin, theologische Inhalte in einer verständlichen, klaren und relevanten Sprache auszudrücken. Deshalb haben die beiden eine neue Blogserie gestartet. Ihr Name: Theo goes Schule. Schule, das ist klar, steht für das Lernen und das Lehren. Aber wer ist Theo? Theo ist ein Fragensteller.
Theo fragt: Warum gibt es zwei Schöpfungsberichte? Sie erzählen zwei unterschiedliche Geschichten. Widersprechen sie sich nicht sogar?
Zunächst: Es sind keine Berichte. Berichten kann ein Mensch nur von Begebenheiten, bei denen er dabei war. Bei der Entstehung der Welt hat aber niemand zugeschaut. Wir sollten uns also die Rede vom Schöpfungsbericht abgewöhnen. Die biblischen Schöpfungserzählungen sind Geschichten.
Ansonsten hast du Recht. Die zwei Geschichten der Bibel erzählen sehr unterschiedlich vom Anfang. Die erste Geschichte spricht von sieben Schöpfungstagen. Sie ist ein Gedicht, vielleicht ein Lied, ein Hymnus. Möglicherweise hat ein Priester – oder mehrere Priester – sie geschrieben. Ich nenne sie deshalb die priesterliche Schöpfungserzählung. Die zweite Geschichte vom Anfang erzählt vom Paradies und ist ein Mythos. Wir wissen nicht, wer sie verfasst hat. Um sie von der ersten Geschichte zu unterscheiden, nenne ich sie die nicht-priesterliche Schöpfungserzählung.
Theo goes Schule
Theo fragt: Warum sind sie so verschieden?
Das liegt daran, dass sich beide Erzählungen weniger für die Vergangenheit und viel mehr für ihre Gegenwart interessieren. Wann und warum wurden die Schöpfungsgeschichten geschrieben? Die priesterliche Schöpfungserzählung gehört zu einer Zeit, in der die Menschen alles verloren hatten und von vorne beginnen mussten. Die Stadt Jerusalem war zum ersten Mal in ihrer Geschichte eingenommen und zerstört worden. Viele ihrer Bewohnerinnen und Bewohner waren fern der Heimat ins Exil gezwungen worden. Da fragten sich die Menschen: Ist unser Gott noch da?
Die priesterliche Schöpfungserzählung antwortet auf diese Frage. Sie sagt: Ja, Gott ist noch da. Und er ist stärker als die, die eure Stadt in Schutt und Asche gelegt haben. Auch wenn eure Soldaten die Schlacht um Jerusalem verloren haben, ist Gott noch immer da und bei euch. Es gibt nämlich nichts auf der Welt, was nicht von Gott gewollt und gemacht ist: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“
Die Menschen hatten noch eine zweite Frage: Sie wollten wissen, ob sie ihre Religion auch ohne einen Tempel leben können. Der Tempel in Jerusalem war nämlich auch zerstört worden. Auch auf diese Frage antwortet der Priester: „Klar könnt ihr eure Religion ohne einen Tempel leben“. Denn die Krone der Schöpfung ist nicht der Tempel, auch nicht der Mensch, sondern der Ruhetag. Er ist das siebte Schöpfungswerk. Haltet den wöchentlichen Ruhetag ein, sagt die priesterliche Schöpfungserzählung, denn dieses Schöpfungswerk ist nicht zerstört worden.
Theo meint: Das musst du erklären!
Die priesterliche Schöpfungserzählung gliedert die Schöpfungswerke in sieben Abschnitte. Damit will sie nicht sagen, dass die Erde in sieben Tagen entstanden ist. Es geht ihr um etwas anderes: Gott hat auch den Rhythmus der Woche geschaffen. Als der Mensch geschaffen wird – übrigens zusammen mit den Landtieren – ist das Schöpfungswerk noch nicht zu Ende. Am siebten Tag schafft Gott nichts. Er ruht – und schafft damit doch etwas: den Ruhetag, den Sabbat. Der Mensch ist also nicht die Krone der Schöpfung. Wenn eines der Schöpfungswerke eine Krone trägt, dann ist das der Ruhetag.
Theo hat noch eine Frage: Wie kann der Mensch das Ebenbild Gottes sein? Ist das nicht anmaßend?
O, die Gottesebenbildlichkeit, ein schwieriges Thema! Du meinst den Satz: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bild. Zum Bilde Gottes schuf er ihn. In diesem Wort stecken zwei Geheimnisse.
Das erste Geheimnis
Das Wort Gottesebenbildlichkeit des Menschen sagt – Überraschung! – gar nichts über den Menschen aus, sondern über Gott. Gott will nämlich nicht allein sein. Er wählt den Menschen zu seinem Gegenüber: dieses komplizierte, manchmal gebrechliche und nicht selten bösartige Wesen. Die Theologen sagen: Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen ist kein Seinsbegriff, sondern eine Beziehungsaussage. Einfacher ausgedrückt: Gott und Menschen können miteinander kommunizieren, und Gott will das auch. Nur deshalb können wir zu Gott beten und darauf hoffen, dass Gott ein Gebet hört. Gottesebenbildlichkeit meint, dass der Mensch ein „Ansprechpartner“ Gottes ist.
Das zweite Geheimnis
In der Gottesebenbildlichkeit liegt eine besondere Würde. Ja, die Menschenwürde findet sich schon auf den ersten Seiten der Bibel.
Was von alledem ist wichtig für die Schule?
Nadine hat sich einiges überlegt. Ihr Unterrichtsvorschlag für die Grundschule trägt die Überschrift: Der rote Faden & die Schöpfung. Hier ist er:
Schöpfungserzählung – von der Wissenschaft abgelöst? Genesis 1
Wie setzen wir das in der Sekundarstufe I um?
In mehreren Blogbeiträgen habe ich Vorschläge gemacht.
- Am Anfang steht das Staunen
Wenn wir nur mit einem naturwissenschaftlichen Blick auf die Natur schauen, wird uns die Bedeutung des Wortes Schöpfung nie wirklich aufgehen. Für die Sekundarstufe empfehle ich deshalb den Blick von außen auf die Erde, wie ihn Alexander Gerst aus 400 km Höhe erleben konnte. Richtig, eine Reise in den Orbit können wir nicht machen, aber es gibt dennoch unterrichtliche Möglichkeiten.
Mehr als eine Laune der Natur. Theologisches und Religionspädagogisches zum Lernbereich Schöpfung
2 „Seid fruchtbar und mehret euch und macht euch die Erde untertan!“ Nicht jeder Satz der priesterlichen Schöpfungserzählung ist auch zu uns gesprochen.
Die priesterliche Schöpfungserzählung ist zweifellos ein zentraler biblischer Text, aber sein didaktischer Wert wird überschätzt. Dass der Lebensraum des Menschen und vieler anderer Kreaturen in Gefahr ist, wird in der Bibel noch nicht reflektiert. Dieser biblische Text nicht mehr gut geeignet, das Verhältnis von Glauben und Denken, von Schöpfung und Weltentstehung zu erarbeiten.
„Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben.“ Aspekte einer zeitgemäßen Schöpfungsdidaktik
- Um die priesterliche Schöpfungserzählung zu verstehen, beginnen wir am besten gar nicht mit dem Bibeltext, sondern mit einer griechischen Sage.
Warum denn das? Weil wir so erkennen können, mit welcher Absicht der Priester seine Geschichte vom Anfang erzählte.
Verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Die Geschichte von Persephone und die biblische Schöpfungserzählung. Ein didaktischer Zugang
Und wie setzen wir das in der Sekundarstufe II um?
Traditionell gehört das Thema Naturwissenschaft und Theologie in den Religionsunterricht der Sekundarstufe II. Die Unterrichtsmaterialien, die dort in der Regel verwendet werden, betrachten die Bereiche des Wissens und des Glaubens als komplementär und versuchen, den Wert beider Zugänge zu würdigen. Dazu nimmt der Betrachter einen analytischen Blick von außen ein. Trotz dieser scheinbaren Objektivität steht ein solcher Religionsunterricht der gymnasialen Oberstufe in der Gefahr, den Weg des Glaubens apologetisch zu verteidigen.
Eine Alternative ist möglich. Erinnern wir uns an Alexander Gerst: Was faszinierte ihn? Es waren nicht die astrophysikalischen Gleichungen, sondern der staunende Blick auf die Erde, die ihn an seine und unsere Verantwortung für seine Kinder und Enkel erinnerte. Was bestimmt unser Leben? Was affiziert uns? Was bringt uns ins Handeln? Ist es die naturwissenschaftliche Welterklärung oder das überraschte Staunen über die Vielfalt der Schöpfung, das dankbare Genießen ihrer Schönheit und die persönliche Sorge, dass unser Planet Erde auch kommenden Generationen noch genügend Lebensräume bieten kann?
Ein Blogbeitrag, der einen neuen Leitfaden für diesen Lernbereich in der Sekundarstufe II beschreibt, ist in Vorbereitung.
„… wie eine unsichtbare Krone.“ Mit Kindern über Menschenwürde sprechen
„Es werde Licht!“ Der berühmteste C-Dur-Akkord der Musikgeschichte erklang am 29. April 1798 in Wien. Hier ist seine Vorgeschichte
Wenn Kinder theologische Nachdenkgespräche führen, ist das mehr als ein „Everything goes“
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Religion
via Horst Heller https://horstheller.wordpress.com
July 4, 2025 at 02:21PM