„Noch ein Förderprogramm – die Verwaltungen ächzen“: Wie Schulträger unter der Bürokratie von Digitalpakt und Co leiden (ein Interview)
GELNHAUSEN. Goldene Zeiten für Schulträger? Davon will Norman Jahn nichts wissen. Der Abteilungsleiter für Personal und Finanzen im hessischen Main-Kinzig-Kreis, zuständig für rund 100 Schulen, zieht im Gespräch mit News4teachers eine ernüchternde Bilanz: Förderprogramme wie Digitalpakt und Startchancenprogramm seien zu bürokratisch, zu kurzfristig und kaum praxistauglich. Sein Fazit: Digitalisierung dürfe kein Sonderthema bleiben – sie müsse endlich selbstverständlich werden.
Formulare, Formulare… Illustration: Shutterstock
News4teachers: Erst kam das Startchancenprogramm, dann der Digitalpakt und nun noch das Investitionspaket der Bundesregierung, von dem ein Gutteil zur Sanierung von Schulgebäuden genutzt werden soll – goldene Zeiten für Schulträger?
Norman Jahn: Nein, die sehe ich nicht. Wenn überhaupt, dann waren 2018/19 die „Goldgräberzeiten“. Mit dem ersten Digitalpakt kam tatsächlich etwas bei uns Schulträgern an. Zuvor hatten wir von der Politik immer wieder gehört: „Ihr könnt die Schulen nicht digitalisieren, dafür haben wir kein Geld.“ Das änderte sich damals. Viele Geräte kamen in die Schulen, die Netzwerke wurden auf ein Niveau gebracht, das es zuvor in der Breite nicht gab.
Heute stehen wir an einem Punkt, an dem ich offen sagen muss: Noch ein Förderprogramm – und die Verwaltungen ächzen. Digitalisierung müsste längst Standard sein, nicht ständig von Sonderprogrammen abhängen. Beim Schulbau fragt auch niemand: „Wo bleibt eigentlich das Förderprogramm für Toiletten?“ oder „Wann kommt das Programm für doppelt verglaste Fenster?“ – das ist selbstverständlich Teil der Planung. Genau so muss es auch mit der Digitalisierung sein.
Stattdessen führen wir unzählige Debatten, etwa ob wir den „skandinavischen Weg“ gehen sollen, also alles zurückdrehen. Diese Diskussionen sind oft polemisch und wenig ergiebig. Dabei ist die Sache doch klar: Lehrkräften, Schulleitungen und Schulträgern ist bewusst, dass Digitalisierung ein fester Bestandteil der Lebenswelt ist – und sie wollen sie sinnvoll und mit Weitblick nutzen.
Wichtig war für uns immer die Rückmeldung der Lehrkräfte: Pädagogik vor Technik. So war auch der Digitalpakt angelegt. Das zeigt, dass wir mit Augenmaß Digitalisierung an Schulen einsetzen können.
Ein Blick in den englischsprachigen Raum verdeutlicht das: Dort hat man – ähnlich wie wir – einfach angefangen, nur eben früher. Schritt für Schritt haben die Verantwortlichen herausgefunden, was gebraucht wird. Heute ist Digitalisierung dort selbstverständlich. Niemand spricht in den USA beim Schulbau noch über „Digitalisierung“. Sie ist schlicht da, weil klar ist: Schülerinnen und Schüler brauchen Geräte. In Deutschland hingegen diskutieren wir immer wieder über „Bring Your Own Device“ oder Datenschutz. Natürlich sind das wichtige Themen. Aber insgesamt reden wir viel zu viel über Hindernisse.
Das Samsung-Chancentablet
Sprechen wir über Chancen: Nutzen Sie das Potenzial digitaler Sprachförderung! Mit dem Chancentablet stellt Samsung Grundschulen eine Lösung zur Verfügung, die nicht nur digitales Lernen ermöglicht, sondern auch die individuelle Förderung von Basiskompetenzen wie Lesen und Schreiben.
Das Chancentablet hilft bei der individuellen Förderung (Symbolfoto). Foto: Shutterstock
Das Paket, das im Rahmen des Startchancen-Programms konzipiert wurde, vereint leistungsstarke und robuste Endgeräte mit integrierten Softwarelösungen von Samsung-Partnern. Damit bietet Samsung Grundschulen einen unkomplizierten Einstieg in das systemoffene technische Ökosystem „Samsung Neues Lernen“ an. Hintergrund: Systemoffene Lösungen binden Schulen nicht an spezifische Hard- und Softwarelogiken einzelner Hersteller. Sie erlauben es den Lehrkräften, Instrumente und Tools eigener Wahl einzusetzen. Das Chancentablet ist mit drei verschiedenen Lernlösungen für eine differenzierte Lese- und Rechtschreibförderung ausgestattet – und mit Diagnosetools. Damit richtet sich das Angebot insbesondere auch an Kinder mit besonderem Förder- bzw. Unterstützungsbedarf (LRS, DaZ).
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News4teachers: Wie ist denn der Stand konkret in Ihrem Kreis? Ist die Grundausstattung da, oder hakt es noch an der einen oder anderen Stelle?
Jahn: Das hängt davon ab, wie man Grundausstattung definiert. Im Main-Kinzig-Kreis sind alle Schulen an Glasfaser angeschlossen, sie haben hohen Datendurchsatz. Alle sind so ausgestattet, wie sie es gewünscht haben: mit Präsentationsmedien und flächendeckendem WLAN. Alle Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte haben Zugang zu einer Datenverarbeitungsumgebung – in den meisten Fällen Microsoft.
Der Kreis hat sich dafür entschieden, weil er den Datenschutz vorher geprüft hat. Natürlich wird die Zukunft in eine andere Richtung gehen – in fünf bis zehn Jahren wohl stärker hin zu Open-Source-Lösungen. Aber aktuell ist die Infrastruktur so gegeben.
News4teachers: Microsoft steht ja in einigen Bundesländern auf dem Index. Bei Ihnen nicht?
Norman Jahn, Schulverantwortlicher im Main-Kinzig-Kreis. Foto: privat
Jahn: Jein. Der hessische Datenschutzbeauftragte hat Schulträgern das Vorgehen genehmigt. Er hat 17 konkrete Punkte benannt, die erfüllt sein müssen, damit die Nutzung rechtlich zulässig ist. Diese Punkte setzt unsere IT im Kreis um. Das gilt übrigens auch für andere Anbieter. Auch Apple darf eingesetzt werden, wenn die Datenschutzauflagen eingehalten werden – etwa, dass keine automatischen Updates ohne Kontrolle erfolgen.
Unsere IT stellt sicher, dass diese Vorgaben eingehalten werden. Klar ist aber auch: Wir müssen das Thema regelmäßig überprüfen. Nur: Wir müssen es nicht ständig mit den Schulen diskutieren. Für sie muss einfach eine funktionierende, sichere und leicht nutzbare Lösung da sein.
News4teachers: Das heißt: Die Technik muss da sein, unkompliziert nutzbar, ohne großen Aufwand.
Jahn: Genau.
News4teachers: Noch einmal zur Grundausstattung: Der erste Digitalpakt liegt ja nun schon einige Jahre zurück. Ist es jetzt Zeit für Neubeschaffungen?
Jahn: Ja, absolut. Noch sind wir handlungsfähig, aber es wird Zeit nachzubeschaffen. Ein Beispiel: Die Zusatzprogramme des Digitalpakts sahen auch Lehrer-Endgeräte vor. Aber von Anfang an war klar: In Hessen hat das bei keinem Schulträger für alle Lehrkräfte gereicht. Manche nutzten private Geräte – in Hessen war das möglich.
Nun aber kommen viele Referendare, die im Main-Kinzig-Kreis Lehrkräfte werden. Für sie können wir nicht ohne Weiteres Geräte bereitstellen. Die vorhandenen iPads und Rechner sind in die Jahre gekommen. Eigentlich bräuchten wir deutlich mehr, um alle sachgerecht auszustatten. Die Zahl der Lehrkräfte im Kreis – 3000 bis 4500 – ist schwer exakt zu benennen, wegen vieler Zeitverträge gibt es eine hohe Fluktuation. Aber das Ziel muss klar sein: Jede Lehrkraft sollte Zugriff auf ein eigenes Gerät haben.
„Bring Your Own Device“ ist bei uns nicht leicht realisierbar, weil unter anderem die strikte Trennung zwischen pädagogischem und Verwaltungsnetz den Zugang erschwert. Im pädagogischen Netz geht das noch eher, im Verwaltungsnetz praktisch gar nicht. Aber auch da verändert sich gerade etwas in Hessen – die harte Trennung wird aufgeweicht.
Trotzdem: Es ist dringend notwendig, dass wir jetzt handeln. Wir müssen abstimmen, wie lange unsere Systeme noch durchhalten und wann ein Wechsel nötig ist. Aus eigener Kraft schafft der Kreis dies nicht. Wir brauchen dringend den Digitalpakt.
Schon vor Jahren habe ich gesagt: Es war ein Fehler, den Digitalpakt nur bis 2024 anzulegen. Dass die Politik so lange gebraucht hat und sich nun dafür feiert, dass der Digitalpakt 2.0 irgendwann 2026 kommt, ist für uns unverständlich. Der erste Digitalpakt endete 2024 – und die kommunalen Schulträger müssen nun eine Lücke von anderthalb Jahren überbrücken.
“Wenn man den Verwaltern dieser Programme mal ins Gesicht sagen würde, wie es in der Praxis läuft…”
News4teachers: Wie würden Sie den Stand der digitalen Ausstattung im Main-Kinzig-Kreis benoten?
Jahn: Wenn ich alles zusammenzähle, würde ich sagen: Der Kreis hat mit seinen 100 Schulen insgesamt eine gute „3“ erreicht. Das ist verdammt gut, auch wenn es nur befriedigend ist – denn er ist bei einer „4-5“ gestartet.
Heute sind wir stabil bei einer „3+“. Und das ist entscheidend: Selbst mit der Verzögerung des Digitalpakts und fehlenden Mitteln halten wir diese 3+. Die Tendenz geht Richtung „2“. Eine „1“ strebt der Kreis gar nicht an – die erreicht man nur, wenn alle mitmachen, vor allem die Lehrkräfte. Denn Digitalisierung funktioniert nur, wenn auch sie geschult sind und mit der Technik umgehen können. Genau da sehen wir im Moment große Schwierigkeiten, etwa beim Thema KI.
News4teachers: Das Startchancenprogramm enthält ja auch eine Digitalisierungslinie. Wie macht sich das bemerkbar? Es wurde ja als bürokratiearmes Konzept angepriesen.
Jahn: (lacht) Ja, ich finde das fast amüsant. Ich mache seit 20 Jahren Förderprogramme. Und seit 20 Jahren steht bei jedem dabei: „Das ist das bürokratieärmste Förderprogramm, das wir je hatten.“ Wenn man den Verwaltern dieser Programme mal ins Gesicht sagen würde, wie es in der Praxis läuft…
Kein Lehrer würde je sagen: „Das ist das beste Abitur aller Zeiten.“ – im Gegenteil, Lehrkräfte sind da sehr ehrlich. Sie sagen: „Das ist für dieses Jahr das beste Abitur, das wir uns vorstellen können.“ Ein viel passenderer Satz für das Startchancenprogramm wäre: „Das ist für dieses Jahr das bürokratieärmste Förderprogramm.“
“Hört auf damit – gebt das Geld einfach direkt an die Kommunen. Hört auf mit diesem Klein-Klein”
News4teachers: Woran hakt’s denn?
Jahn: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Beim ersten Digitalpakt haben wir die Anträge offiziell