KI korrigiert Klausuren: Utopisch? Vom Schülerprojekt bis zur Hochschulforschung wird daran gearbeitet
ERFURT. Die Korrektur von Klassenarbeiten und Klausuren gehört zu den zeitaufwendigsten Aufgaben im Lehrerberuf. Wird sie bald nicht mehr von Menschen erledigt? Thüringens Bildungsminister Christian Tischner (CDU) verweist auf ein Jugend forscht-Projekt, bei dem eine KI Arbeiten bewertet und Lernangebote erstellt hat. Lehrkräfte testen inzwischen Plattformen, die automatisierte Feedbacks ausspucken, und Forschungsprojekte wie „KI-Exam“ oder „DeepWrite“ entwickeln Lösungen für Freitextaufgaben und juristische Klausuren. Doch je konkreter die Technik wird, desto deutlicher treten auch (unüberwindliche?) Grenzen zutage.
Korrigierender Kollege? Illustration: Shutterstock
„Wie nutzen wir KI als ein sinnvolles Lernmedium?“ – mit dieser Frage lenkte Thüringens Bildungsminister Christian Tischner (CDU) am Wochenende den Blick auf eine der wohl spannendsten Entwicklungen im Schulalltag: den Einsatz Künstlicher Intelligenz bei Prüfungen. Er verwies dabei auf ein Projekt, das beim Wettbewerb Jugend forscht für Aufmerksamkeit sorgte. Dort hatte eine Software Arbeiten automatisch kontrolliert und dazu passende Lernangebote erstellt. Für Tischner ein Beispiel, „das wir natürlich in die Anwendung bringen müssen – aber datenschutzkonform“.
Jugend forscht zeigt, was technisch schon möglich ist
Das Beispiel aus dem Nachwuchswettbewerb zeigt, dass sich die Vision längst nicht mehr in theoretischen Überlegungen erschöpft. Die Schüler Oskar Rost und Marius Strauß entwickelten eine KI-basierte Anwendung, die Fehler erkennt, Punktabzüge vergibt und Notenvorschläge erstellt. Laut der Laudatio bei Jugend forscht (sie bekamen dafür den Sonderpreis des Bundespräsidenten) kann die Software nahtlos in den Schulalltag integriert werden, entlastet Lehrkräfte und bietet Schülerinnen und Schülern eine klare Übersicht über ihre Leistungen. Erste Tests mit realen Arbeiten belegten eine deutliche Zeitersparnis und eine transparentere Fehleranalyse.
Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete unlängst von einem Stimmungswandel an Schulen: Ging es zunächst darum, wie sich KI aus den Netzwerken verbannen ließe, fragen Lehrkräfte inzwischen viel pragmatischer – nämlich, ob die Technik ihnen beim Korrigieren helfen kann.
Ein dabei angeführtes Beispiel: Die deutsche Plattform Fobizz testet bereits Systeme, bei denen Lehrerinnen und Lehrer Fotos von schriftlichen Arbeiten hochladen können. Eine Schrifterkennung wandelt diese in digitalen Text um, anschließend können Musterlösungen und Bewertungsmaßstäbe eingespielt werden. Auf dieser Grundlage erstellt die KI Vorschläge: Sie erkennt inhaltliche Stärken, weist auf fehlende Details hin, bewertet Gliederung und Rechtschreibung – und spuckt eine Punktzahl aus. Die Lehrkraft kann nachjustieren, bevor das Feedback an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben wird.
KI-Exam: Vom Schulversuch zum Forschungsprojekt
Auch die Wissenschaft arbeitet mit Hochdruck an Lösungen. Im vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt „KI-Exam“ soll ein System entstehen, das Prüfende bei offenen Freitextaufgaben unterstützt – etwa bei Essays oder komplexen Prüfungsfragen. Die KI sortiert Antworten zunächst nach inhaltlichen Clustern, zeigt Ähnlichkeiten mit Musterlösungen auf und visualisiert die Ergebnisse so, dass sie für die Prüferinnen und Prüfer leichter vergleichbar sind. Ziel ist es, die zeitaufwändige Korrektur erheblich zu beschleunigen und zugleich objektiver zu machen.
Doch die Praxis zeigt, wie schwierig dieses Vorhaben ist. Schon in den vorbereitenden Interviews mit Lehrenden und Prüfenden wurde deutlich: Handschriftliche Lösungen sind oft schlecht lesbar, Antworten verteilen sich unübersichtlich über mehrere Seiten, Rechtschreibfehler erschweren zusätzlich die Analyse. Auch die Vielfalt möglicher richtiger Lösungen stellt eine Hürde dar. Eine KI kann zwar Vorschläge machen – ob eine kreative, ungewöhnliche Antwort aber richtig ist, bleibt im Zweifel menschliches Ermessen.
Hinzu kommt die soziale Dimension: Viele Prüfende fürchten, dass das persönliche Element beim Korrigieren verloren gehen könnte. Gerade in mündlichen Rückmeldungen oder bei Randbemerkungen zeigen sich pädagogische Feinheiten, die ein System nicht nachbilden kann. Auch die Zusammenarbeit mit Zweitprüfern – bisher oft ein dialogischer Prozess – würde sich verändern, wenn ein Algorithmus die Ergebnisse vorsortiert.
DeepWrite: Juristische Klausuren im Visier der KI
Deutlich werden die Chancen und Grenzen auch beim Blick in die juristische Ausbildung. Generationen von Studierenden lernen den sogenannten Gutachtenstil: Obersatz bilden, Tatbestandsmerkmale erkennen, subsumieren, Konklusion ziehen. Eine Kunst, die in unzähligen Klausuren bis hin zum Ersten Staatsexamen verlangt wird.
Am Institut für Rechtsdidaktik der Universität Passau entwickelt das interdisziplinäre Projekt DeepWrite ein KI-gestütztes Tool, das genau hier ansetzt. Die Anwendung „legalArgueNiser“ soll Studierenden schon in den ersten Semestern individuelles Feedback zu Struktur und Qualität ihrer Texte geben – etwas, das in großen Vorlesungen mit hunderten von Klausuren sonst kaum möglich ist. Der Clou: Die KI spiegelt anhand präziser Prompts die juristische Argumentationsweise wider und markiert, ob Aufbau und Subsumtion korrekt sind.
Doch die Grenzen erscheinen klar. „Dass die KI sozusagen echte oder scharfe Klausuren wie die Zwischenprüfung allein korrigiert, ist utopisch“, sagt Projektmitarbeiterin Sarah Großkopf. Kleinere, standardisierte Fälle könne das System zwar schon jetzt bewerten, die gleiche Tiefe wie eine menschliche Korrektur erreiche es aber nicht. Zudem verweist das Team auf die rechtlichen Hürden: Die seit 2024 geltende EU-Verordnung über künstliche Intelligenz stuft Bildung als Hochrisikobereich ein. Damit ist die Nutzung von KI bei Prüfungen wie dem Staatsexamen besonders heikel – weil hier maßgeblich über Bildungs- und Berufswege entschieden wird.
Unproblematisch sei hingegen der Einsatz in der Lehre: zur Übung, zum Training, zur Klausurvorbereitung. Hier könne KI eine echte Lücke schließen, indem sie individuelles Feedback bietet, das menschliche Lehrende in der Masse der Klausuren schlicht nicht leisten können.
Bildungsminister Tischner spricht in diesem Zusammenhang von einem „Fluch und Segen zugleich“. KI werde aus dem schulischen Leben nicht mehr verschwinden, Schüler müssten deshalb befähigt werden, sie kritisch zu nutzen. Gleichzeitig sieht er Veränderungen im Prüfungsalltag kommen: Hausaufgaben und Aufsätze, die zu Hause verfasst werden, müssten stärker überprüft werden, mündliche Prüfungen könnten an Bedeutung gewinnen.
Die Richtung ist klar: Von Schülerprojekten wie bei Jugend forscht über praxisnahe Plattformen wie Fobizz bis hin zu groß angelegten Forschungsprojekten wie „KI-Exam“ oder „DeepWrite“ – an vielen Stellen wird derzeit daran gearbeitet, die zeitraubende Korrektur von Klausuren und Klassenarbeiten zu automatisieren. Die entscheidende Frage bleibt: Wird die Maschine am Ende tatsächlich gerechter, schneller und hilfreicher korrigieren können als der Mensch – oder geht dabei etwas verloren, was den Kern pädagogischer Arbeit ausmacht? News4teachers / mit Material der dpa
Kultusminister beschließen KI-Empfehlungen für Schulen – und stellen Lehrkräften automatisierte Korrekturen in Aussicht
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August 17, 2025 at 01:57PM