“Tiefgreifender Wandel für Schulen”: Erstes Bundesland startet Pilotprojekt, um Arbeitszeit der Lehrkräfte zu erfassen
BREMEN. Lehrkräfte bereiten stundenlang Unterricht vor und korrigieren Prüfungen. Wie lange sie an der Arbeit sitzen, wird bisher nicht dokumentiert. Im ersten Bundesland soll sich das bald ändern: Ein Pilotprojekt startet zum 1. August 2026 an ausgewählten Schulen. Die Lehrkräfte sollen ihre Arbeitszeit mittels einer App erfassen.
Ab Sommer 2026 wird gemessen (Symbolfoto). Foto: Shutterstock
Als erstes Bundesland plant Bremen eine Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte. Das Pilotprojekt beginnt am 1. August 2026 an ausgewählten Schulen, wie das Bildungsressort mitteilte. Grundlage ist ein Beschluss des Bremer Senats. „Damit reagiert die Bildungsbehörde auf die bundesweit geltenden arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen zur Erfassung der Arbeitszeit“, so heißt es in einer Pressemitteilung. „Vorgesehen ist, den zukünftigen Soll-Zustand einer zeitgemäßen Arbeitszeiterfassung unter realen Bedingungen zu testen – mit besonderem Fokus auf bislang wenig sichtbare, aber zeitintensive Aufgaben.“
Und weiter: „Der Pilot wird daher bewusst mit wenigen Schulen starten, um eine intensive Begleitung zu ermöglichen. Auch technische und organisatorische Voraussetzungen werden in dieser Phase erprobt und optimiert. Die Pilotierung zielt ausdrücklich nicht nur auf die Dokumentation des Status quo ab, sondern auf die Erprobung künftiger Bedingungen, etwa im Umgang mit außerunterrichtlichen Tätigkeiten wie Elterngesprächen, Korrekturen oder Fortbildungen. Auch technische Lösungen, beispielsweise die Nutzung von digitalen Systemen, sollen getestet werden. Die senatorische Behörde trägt damit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts und der Verantwortung als Arbeitgeberin Rechnung. Gleichzeitig wird bewusst auf eine vorschnelle Einführung verzichtet, um die notwendige Akzeptanz und Umsetzbarkeit im Schulalltag sicherzustellen.“
Hintergrund: Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten vollständig dokumentieren. Die KMK behauptete allerdings, dass Lehrkräfte davon nicht betroffen seien. Die Begründung (so Baden-Württembergs Kultusministerin Teresa Schopper, Grüne, in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage): „Bei der Lehrkräftearbeitszeit gilt die Besonderheit, dass nur die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung zeitlich genau festgelegt ist. Die übrigen von den Lehrkräften zu erbringenden Tätigkeiten sind hingegen zeitlich nicht festgelegt.“ Die Kultusministerinnen und Kultusminister kamen überein, das Thema zunächst mal auszusitzen (News4teachers berichtete).
Bremen schert jetzt aus. Noch pikanter: Das kleinste Bundesland (mit der ehemaligen Richterin Sascha Aulepp, SPD, als Bildungssenatorin) akzeptiert ausdrücklich, dass auch Lehrkräfte einen Anspruch auf Erfassung ihrer Arbeitszeit haben – und fährt den anderen Landesregierungen damit in die Parade. Nebenbei stellt es das bislang geltende Deputatsmodell, das seit 150 Jahren die Grundlage der Lehrkräftearbeitszeit bildet, infrage.
So heißt es in der Pressemitteilung: „Das Bundesarbeitsgericht hat 2022 festgestellt, dass die gesamte Arbeitszeit aller Beschäftigten – auch im öffentlichen Dienst – zu erfassen ist. Eine Ausnahmeregelung für Lehrkräfte wird es nicht geben. Bisher wurde die Arbeitszeit über das Deputatsmodell geregelt – mit einem hohen Maß an Flexibilität für außerunterrichtliche Tätigkeiten. Mit der Arbeitszeiterfassung steht das klassische Deputatsmodell auf dem Prüfstand und rücken die Einhaltung von Arbeitsschutzvorgaben, zum Beispiel Arbeitsverbote an Sonn- und Feiertagen sowie eine differenziertere Bewertung nicht-unterrichtlicher Tätigkeiten in den Fokus. Zukünftig werden nicht nur Unterrichtszeiten, sondern auch weitere Tätigkeiten wie Korrekturen, Elterngespräche und Konferenzen systematisch erfasst.“
Der Personalrat Schulen hatte gefordert, dass die Arbeitszeit der Bremer Lehrkräfte schon ab diesen Sommer erfasst wird und zog vor Gericht – jedoch ohne Erfolg (News4teachers berichtete auch darüber).
Jetzt sollen bis zu den Sommerferien die Schulen für das Pilotprojekt ausgewählt werden, dabei sollen verschiedene Schularten und Berufsgruppen berücksichtigt werden. Im Anschluss will die Behörde die Aufgaben der Lehrkräfte und die dafür angestrebten Arbeitszeiten festlegen und die Technik entwickeln lassen. Die teilnehmenden Lehrkräfte sollen ihre Arbeitszeit für ein Jahr in einer App erfassen. Eine Arbeitsgruppe wird das Projekt begleiten. Das Bildungsressort rechnet damit, dass die Ergebnisse des Projekts Anfang 2028 vorliegen.
Die Erfassung der Arbeitszeit bedeute einen tiefgreifenden Wandel für Schulen, Lehrkräfte und Schulleitungen, argumentiert Bildungssenatorin Aulepp. „Deshalb gehen wir diesen Schritt gut vorbereitet, mit genug Zeit für Planung, Begleitung und Auswertung.“ Sie betont: „Während andere Bundesländer noch abwarten, werden wir in Bremen mit dem Pilotprojekt zeigen, wie Arbeitszeiterfassung im Schulalltag gelingen kann.“ News4teachers / mit Material der dpa
Gutachten: Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften ist unausweichlich (heißt: Aus fürs Deputatsmodell)
Der Beitrag “Tiefgreifender Wandel für Schulen”: Erstes Bundesland startet Pilotprojekt, um Arbeitszeit der Lehrkräfte zu erfassen erschien zuerst auf News4teachers.
Schule
via News4teachers https://www.news4teachers.de/
May 28, 2025 at 03:14PM