KI baut Killer-Protein gegen antibiotikaresistente Superbakterien
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Resistente Bakterien bringen die moderne Medizin zunehmend an ihre Grenzen. Jetzt zeigt ein Team: KI kann für diese "Superbugs" tödliche Proteine entwerfen - gezielt, schnell, aber jenseits jeder natürlichen Vorlage. Ein Fortschritt, der auch Fragen aufwirft.
Erste australische Plattform für Proteindesign
Lange galten Proteine als eine der letzten Bastionen organischer Komplexität, die sich dem Zugriff der Computer widersetzten. Ihre räumliche Struktur, ihre Wirkung im Körper, ihre Stabilität - all das ergibt sich aus Millionen Jahren Evolution. Doch weltweit erleben Forschungslabore derzeit einen grundlegenden Wandel: Was früher Jahre dauerte, lässt sich mit KI-gestütztem Proteinbau inzwischen binnen Sekunden simulieren - gezielt, funktional und völlig unabhängig von natürlichen Vorbildern.
Eine echte Premiere gelang dabei jetzt der Forschungsgruppe um Dr. Rhys Grinter und Associate Professor Gavin Knott. Erstmals ist es einem australischen Team gelungen, ein funktionsfähiges Protein vollständig KI-basiert zu entwerfen, im Labor herzustellen und gezielt gegen resistente Bakterien wie widerstandsfähige E. coli-Stämme einzusetzen, wie sie bei Krankenhausinfektionen gefürchtet sind. Ein geschlossener Prozess von der digitalen Struktur bis zur biologischen Wirkung.
Dafür hatte man an der beteiligten Monash University und am Bio21 Institute der University of Melbourne eine eigene Softwareplattform für Proteinbau auf Basis tiefen maschinellen Lernens entwickelt. Diese Plattform baut auf dem Prinzip auf, das der US-Forscher David Baker berühmt machte: Statt natürliche Proteine zu verändern, werden sie vollständig "de novo" entworfen - von Grund auf, mit genau definierten Eigenschaften. Laut Dr. Rhys Grinter können mithilfe der Plattform Proteine so konstruiert werden, dass sie gezielt an bestimmte Zielstrukturen binden - etwa als Blocker, Aktivator oder in Form stabilisierter Enzyme.
Das in der begleitenden Studie entwickelte Protein bindet an ein entscheidendes Strukturelement auf der Oberfläche von E. coli. Es wurde nicht etwa aus bekannten Toxinen abgeleitet, sondern entstand rein rechnerisch. Dafür wurden in das Monash AI Protein Design Program Werkzeuge wie Bindcraft und Chai integriert - frei verfügbare Software für Proteininteraktionen und Sequenz-Design. "Es ist wichtig, das Proteindesign zu demokratisieren, damit die ganze Welt diese Werkzeuge nutzen kann", sagt Daniel Fox, der den Großteil der Laborexperimente durchführte.
Wie stoppt das KI-Protein E. coli?
E. coli braucht Eisen, um zu wachsen und sich zu vermehren.
Das Bakterium nimmt Eisen über eine spezielle Andockstelle an seiner Oberfläche auf.
Das KI-designte Protein blockiert genau diese Stelle gezielt.
So kommt E. coli nicht mehr an den lebenswichtigen Nährstoff.
Ohne Eisen kann es sich nicht weiter ausbreiten - und stirbt schließlich ab.
Getestet wurde das KI-Protein zunächst an speziell konstruierten Bakterienstämmen mit fluoreszierenden Markern. Sobald das Protein band, veränderte sich die Leuchtintensität - ein Zeichen, dass die Zielstruktur erfolgreich erkannt und angegriffen wurde. Ein solcher Effekt lässt sich auch außerhalb des Labors nutzen: etwa für neue Diagnosetests oder selektive Wirkstoffe, die nur krank machende Bakterien treffen.
Wie belastbar das Design ist, muss sich nun zeigen. Doch der Effekt ist klar: Australien reiht sich mit dieser Plattform in die Riege jener Länder ein, die den KI-gestützten Proteinbau nicht nur als Konzept, sondern als reale Technologie beherrschen. Der nächste Schritt? Komplexere Bindemuster, individuellere Enzymfunktionen und klinische Anwendungen. Gerade angesichts der globalen Ausbreitung resistenter Erreger liefert diese Studie einen möglichen Ausweg - durch KI-gesteuerte Wirkstoffentwicklung in bislang unerreichter Geschwindigkeit.
Euphorie und Kritik
Die Euphorie der Fachwelt ist nachvollziehbar - resistente Keime gelten als eine der größten Bedrohungen der modernen Medizin. Doch nicht jeder teilt den Optimismus. Kritiker verweisen darauf, dass viele KI-generierte Proteine bislang nur unter Laborbedingungen wirken. Ob sie im menschlichen Körper stabil, wirksam und sicher sind, bleibt offen. Auch der offene Zugang zu Design-Tools wie Bindcraft und Chai wirft Fragen auf: Was der Forschung nutzt, könnte in falschen Händen missbraucht werden.
Und obwohl sich das Team an den Methoden des Nobelpreisträgers David Baker orientiert, ist das australische Programm noch jung - klinische Daten fehlen. Der Fortschritt ist real, doch er benötigt Kontrolle, Sorgfalt und einen langen Atem. Die Ergebnisse wurden auf dem Preprint-Server BiorXiv veröffentlicht.
Zusammenfassung
Australisches Forschungsteam entwickelt KI-basiertes Protein gegen E. coli
Computergestützte Proteinentwicklung erfolgt gezielt ohne natürliche Vorbilder
Das neuartige Protein bindet und attackiert gezielt Bakterienoberflächen
Forschungsplattform mit Tools wie Bindcraft und Chai steht allen Forschern offen
Möglicher Durchbruch im Kampf gegen antibiotikaresistente Superbakterien
Trotz Euphorie bleiben Fragen zur Stabilität und Sicherheit im Körper
Offener Zugang zu Design-Tools birgt neben Chancen auch Missbrauchsrisiken
Siehe auch:
Technologie
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July 9, 2025 at 01:30PM