Warum schwächelt der Abnehmspritzen-Hersteller Novo Nordisk?
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Wegovy- und Ozempic-Hersteller Ein "Nokia-Moment" für Novo Nordisk?
Stand: 09.08.2025 06:46 Uhr
Abnehmmedikamente haben Novo Nordisk zeitweise an den europäischen Börsenolymp katapultiert. Doch seit einiger Zeit läuft es nicht mehr so rund. Was schlechte Nachrichten für den Pharmariesen sind, könnten gute für Patienten sein.
Was BioNTech für Mainz ist, das dürfte Novo Nordisk für Dänemark sein - ohne das Unternehmen wäre die dänische Wirtschaft 2023 nicht um 1,8 Prozent gewachsen, sondern um 0,1 Prozent geschrumpft. Der Pharmariese aus Bagsværd produziert den GLP-1-Wirkstoff Semaglutid unter dem Namen Wegovy für die Gewichtsreduktion und Ozempic zur Behandlung von Typ-2-Diabetes.
Der Erfolg der Medikamente und die Wachstumsfantasie der Anleger sorgten dafür, dass Novo Nordisk zeitweise das wertvollste Unternehmen Europas an der Börse war - noch vor SAP oder dem französischen Luxusgiganten LVMH. Mitte letzten Jahres war der dänische Konzern auf seinem Höhepunkt rund 650 Milliarden Dollar wert. Seitdem ist die Bewertung deutlich gefallen: Heute liegt sie bei nur noch bei rund 213 Milliarden Dollar.
Schon gibt es Vergleiche mit dem einstigen Handy-Giganten Nokia aus Finnland, dem Branchenpionier, der zu spät in die Smartphone-Technologie einstieg und letztlich überholt wurde.
Was ist also bei Novo Nordisk los - schließlich nimmt das Unternehmen noch immer Milliarden mit seinen Medikamenten ein? Im zweiten Quartal waren es rund zehn Milliarden Dollar, ein Plus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Das Problem liegt dabei nicht an den aktuellen Zahlen, sondern an der Erwartung an die Zukunft. Investoren hatten mit einem stärkeren Wachstum gerechnet und reagieren nervös auf jede schlechte Nachricht: Letzte Woche hatte eine Gewinnwarnung des Unternehmens an einem Tag 70 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet.
Die Konkurrenz holt auf
Für Maziar Mike Doustdar, der seit Donnerstag neu an der Spitze von Novo Nordisk steht, hätte der Start kaum schwieriger sein können. Die Herausforderungen kommen aus vielen Richtungen - doch die größte dürfte derzeit die zunehmende Konkurrenz durch andere Pharmakonzerne sein, die mit Hochdruck an eigenen Abnehmmedikamenten arbeiten.
Der aktuell wohl größte Konkurrent kommt aus den USA: Denn obwohl Novo Nordisk frühzeitig den Markt besetzt hat, hat der amerikanische Konzern Eli Lilly kräftig aufgeholt. Das Unternehmen brachte 2022 und 2023 seine Abnehm- und Diabetesprodukte Zepbound und Mounjaro auf den Markt, die sich als teils bessere Alternativen etabliert haben.
Studien zufolge erzielt Zepbound beim Gewichtsverlust sogar bessere Ergebnisse als Novo Nordisks Wegovy. Im besonders wichtigen US-Markt hat Zepbound Wegovy bei den Verschreibungen bereits überholt. Darüber hinaus arbeitet der amerikanische Pharmakonzern aktuell auch an einer Pillen-Variante des Wirkstoffs - Orforglipron. Die nadelfreie Alternative könnte Prognosen zufolge schon nächstes Jahr auf den Markt kommen.
Doch auch Eli Lilly enttäuschte hier Erwartungen: So zeigt die Pille in Studien eine geringere Wirksamkeit als die Spritzen. Doch das Potenzial ist mit Blick auf den einfacheren Zugang zu Patienten dennoch sehr groß.
Apotheken stellen Kopien her
Für ein weiteres Problem hat der dänische Pharmahersteller dagegen indirekt selbst gesorgt. Als die Abnehmspritzen auf den Markt kamen, übertraf die Nachfrage schnell alle Erwartungen, was in Lieferengpässen mündete.
Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, gestattete die US-Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) 2022 spezialisierten Apotheken eigene Versionen der Medikamente herstellen und verkaufen zu dürfen - und das häufig zu niedrigeren Preisen als die Originalprodukte. Demnach haben schätzungsweise zwei Millionen Patienten in den USA zwischen November 2023 und November 2024 angepasste Versionen des Wirkstoffs über solche Apotheken bezogen.
Anfang des Jahres hat die FDA den Wirkstoff wieder von der Engpassliste genommen. Ein Schlupfloch gibt es dennoch: So können die Medikamente unter bestimmten Bedingungen in leicht abgeänderter Version noch immer von den spezialisierten Apotheken produziert werden.
Novo Nordisk schätzt, dass knapp eine Million Amerikaner weiterhin auf solche Alternativen zurückgreifen. Besonders problematisch: Die USA sind ein lukrativer Markt. Während eine Monatsdosis dort mehr als 1.000 Dollar kosten kann, sind es in Australien oder Schweden teilweise weniger als 100 Dollar.
Generika-Märkte in Startlöchern
Ein weiterer belastender Faktor für den dänischen Pharmakonzern sind die auslaufenden Patente - mit unterschiedlichen Schutzfristen je nach Land und Region. Die Patente für den Semaglutid-Wirkstoff in den Medikamenten von Wegovy und Ozempic laufen in den USA zwar erst 2032 ab, in Teilen Asiens aber schon ab 2026. In Ländern wie Indien, einem der größten Generika-Märkte weltweit, sind etwa sogenannte Evergreening-Strategien verboten. Wenn sich die Wirkstoffzusammensetzung also nur minimal ändert, darf kein Folgepatent erteilt werden.
Indische Pharmaunternehmen wie Dr. Reddy's oder Sun Pharma bereiten sich schon auf den möglichen Marktstart nächstes Jahr vor. Die Medikamente könnten dann zu einem Bruchteil der Originalpreise verkauft werden.
Und auch in Kanada bereiten sich Hersteller auf günstigere Preise vor. Richard Saynor, Chef des Generika-Herstellers Sandoz, sagte gegenüber der Financial Times, dass ab 2026 generische Abnehmmedikamente eingeführt werden könnten, die den Preis um 60 bis 70 Prozent senken könnten. Derzeit kosten die Medikamente dort zwischen 200 und 400 Dollar im Monat.
Novo Nordisk steht unter wachsendem Patentdruck. Der Kuchen dürfte dennoch immer groß genug sein, dass der dänische Pharmakonzern auch weiter Milliarden mit den Medikamenten einnehmen dürfte. So geht die US-Bank Morgan Stanley davon aus, dass der jährliche Markt für die Abnehmmedikamente bis 2035 auf 150 Milliarden Dollar ansteigen könnte - 2024 lag der Gesamtumsatz noch bei etwa 15 Milliarden Dollar. Das dänische Unternehmen hat bei der Veröffentlichung seiner jüngsten Quartalszahlen nun erst einmal verkündet, Kosten senken zu wollen.
Mit Informationen von Antonia Mannweiler, ARD-Finanzredaktion.
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August 9, 2025 at 06:53AM