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Kathrin Passig - Standardsituationen der Technologiekritik
Kathrin Passig - Standardsituationen der Technologiekritik
What the hell is it good for?" (Argument eins),
Statt der Existenz des Neuen kann man danach noch eine Weile (Argument fünf) dessen Auswirkungen leugnen: "Täuschen Sie sich nicht, durch (das Maschinengewehr) wird sich absolut nichts ändern", wie der französische Generalstabschef im Jahr 1920 vor dem Parlament versicherte.
Oder "Das Internet wird die Politik nicht verändern" (taz, 2000).
Multimedia sei zwar 'ein interessanter Markt, bei dem alle dabeisein wollen ... Doch ist der Kunde auch bereit, Geld dafür zu zahlen?'"
Josef Schäfer, Bereichsleiter für Multimedia beim Essener RWE-Konzern
ünf c, die Beteiligten hätten einander ja gar nichts mitzuteilen.
<p>Wir beeilen uns stark, einen magnetischen Telegraphen zwischen Maine und Texas zu konstruieren, aber Maine und Texas haben möglicherweise gar nichts Wichtiges miteinander zu besprechen", vermutete Henry David Thoreau 1854 in Walden. Denselben Vorwurf mussten sich Telefon und Internet gefallen lassen. "Das so viel gerühmte Internet steht exemplarisch und herausragend dafür, wie eine grenzenlose Öffnung informationstechnischer Kanäle, neben einer unbestrittenen Zahl anspruchsvoller Informationen, zu einer Flut von inhaltslosem Wortlärm führt", erklärte der Dortmunder Kommunikationswissenschaftler Claus Eurich 1998 in <em>Mythos Multimedia</em>.</p> <p></p>
Argument zwei: "Wer will denn so was?
Ebenfalls 2007 mutmaßte Henryk M. Broder im <em>Tagesspiegel</em> unter der Überschrift "Das Internet macht doof", das WWW sei "maßgeblich für die Infantilisierung und Idiotisierung der Öffentlichkeit verantwortlich". "Wenn die New York Times denselben Zugang zur Öffentlichkeit hat wie eine Kannibalen-Selbsthilfegruppe, wird sich die Öffentlichkeit auf Dauer nicht auf dem Niveau der New York Times einpegeln, sondern auf dem der Kannibalen-Selbsthilfegruppe."
Es ist also im Prinzip ganz gut, aber, so Vorwurf Nummer sechs, nicht gut genug.
"Experten befürchten, dass das Überlastproblem in wenigen Jahren einen kritischen Punkt erreicht, wenn nicht zuvor eine Lösung gefunden wird. Bis dahin wird die Geschwindigkeit im Netz weiter spürbar zurückgehen", kündigte Peter Glaser 1996 im Spiegel unter dem Titel "World Wide Wait" an.
Kühnert beklagte 1996: "Eine dieser (Such-)Maschinen antwortete auf die Frage nach dem Wort 'Internet' mit 1881 Antworten. Bei der hundertzwanzigsten Auskunft mochte ich nicht mehr herumklicken."
"Internet" anzuklicken, sondern nur noch die ersten paar, was den <em>Spiegel</em> nicht daran hinderte, 2008 zu erklären: "Das größte Problem des Internet ist die Kehrseite seines größten Vorteils – das Überangebot an Informationen. Suchmaschinen liefern zwar Millionen Treffer auf alle möglichen Fragen und sortieren sie hierarchisch quasi nach ihrer Beliebtheit im Netz – sozusagen Relevanz durch Plebiszit. Kritische Vernunft jedoch hat Google in seinen Algorithmen noch nicht eingeführt."
"The bow is a simple weapon, firearms are very complicated things which get out of order in many ways", begründete Colonel Sir John Smyth 1591 vor dem englischen Privy Council, warum eine Umstellung von Bogen auf Musketen nicht ratsam sei.
Die Londoner <em>Times</em> hielt es in einem Leitartikel aus dem Jahr 1895 für "extremely doubtful", dass das Stethoskop jemals weite Verbreitung finden werde, denn sein Einsatz sei zeitraubend und verursache "a good bit of trouble".
Das gleiche Misstrauen gegenüber neumodischen Orientierungshilfsmitteln und die gleiche Schadenfreude darüber, dass sich da jemand für besonders klug und gut ausgerüstet hält und dennoch scheitert, äußert sich in den seit den späten neunziger Jahren beliebten Berichten über Autofahrer, die von ihrem Navigationsgerät in die Irre geführt werden.
"Schwächere als ich können damit nicht umgehen!", lautet Argument sieben.
weiundachtzigjährige Computerpionier Joseph Weizenbaum erklärte 2005: "Computer für Kinder – das macht Apfelmus aus Gehirnen."
"Die jungen, nach 1982 geborenen Menschen sind die narzisstischste Generation der jüngsten Geschichte und weit entfernt von einer sozialen Orientierung." Mitverantwortlich seien Websites wie MySpace und YouTube, die "eine Selbstdarstellung zulassen, die weit über das hinausgeht, was in den traditionellen Medien möglich war".
"Man liest, nicht um sich mit Kenntnissen zu bereichern, sondern nur um zu sehen, man liest das Wahre und das Falsche prüfungslos durcheinander, und dieß lediglich mit Neugier ohne eigentliche Wißbegier.
Bibliomanie
"Der Kommunikationswahn im Netz hat verhaltensauffällige und hochnervöse Individuen hervorgebracht, die immer mehr erfahren und immer weniger wissen."
ie jetzt auftauchenden Etikettefragen (Argument acht),
In der Frühzeit des Buchdrucks galt es als unfein, ein gedrucktes Buch zu verschenken;
getippten Privatbriefen haftete bis in die achtziger Jahre ein Beigeschmack des Unhöflichen an.
Die Kritik des Handygebrauchs in der Öffentlichkeit erklärt das Sprechen mit einem unsichtbaren Gesprächspartner
Die Postkarte galt Kritikern um 1870 als Sargnagel der Briefkultur.
Die Elektrifizierung der Sprache
"Die Prosa eines mit dem PC arbeitenden Poeten zeichnet sich für Kenner wiederum dadurch aus, dass sie unmerklich die Furcht vor dem Absturz prägt."
"leicht verdaulichen Texthäppchen und Schaubilder" der Präsentationssoftware Powerpoint, die zu einer "Verflachung des Denkens" führen (Spiegel 2004) sowie die angeblich nachlassende Fähigkeit, längeren Texten überhaupt noch zu folgen.
"Der Unterschied zwischen der Frühen Neuzeit und der Gegenwart ist – drastisch vereinfacht – der, dass der Körper einst Zeit hatte, das transplantierte neue Organ anzunehmen, während wir jetzt Hals über Kopf voranstürzen".
Immerhin aus Irland, einem Museum anderswo bereits ausgestorbener Kulturkritik, drang noch 2007 die Kunde, das Schreiben von Kurznachrichten verrohe die Sprache der Jugend.
wie stark er vom Lebensalter und wie wenig vom Gegenstand der Kritik abhängt.
Es ist leicht, Technologien zu schätzen und zu nutzen, die einem mit 25 oder 30 Status- und Wissensvorsprünge verschaffen.
Einwände gegen neue Technologien sind nicht automatisch unberechtigt
Die mühsamere Therapie heißt Verlernen.
Die Konsumhaltung sei viel zu ausgeprägt und das Internet "ein tolles Spielzeug, das aber wie alle entwickelten Massenmedien nur zur Vereinzelung beiträgt".
Mit etwas Glück hat der Staat ein Einsehen und bietet in Zukunft Erwachsenenbildungsmaßnahmen an, in denen man hinderlich gewordenes Wissen – sagen wir: über Bibliotheken, Schreibmaschinen, Verlage oder das Fernsehen – ablegen kann.
·kathrin.passig.de·
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