Plattform-Kapitalismus: "Wir müssen über Verstaatlichung nachdenken" | ZEIT ONLINE
Eine kleine Zahl
von Firmen hat es geschafft, die Vernetzung von Marktteilnehmern
profitabel zu machen, und wird dadurch immer größer und mächtiger.
<strong>:</strong> Siemens und GE versuchen gerade, die Infrastruktur für ein industrielles Internet zu schaffen. Sie nennen es Industrie 4.0. Sie bauen Cloud-Dienste und Softwareanalytik, um Maschinen, Einzelteile und Arbeitskräfte zu vernetzen. Unabhängige Entwickler sollen sich in den Prozess einklinken, Industriefirmen die Dienste mieten. Beide wollen zu einer Art App Store für Fabriken werden.
Eine Firma baut ein Teil, eine andere verbaut es und vermarktet das Endprodukt. Auf einer Plattform ist die Abhängigkeit nicht linear, sondern wechselseitig. Uber zum Beispiel funktioniert nur, wenn es zugleich genügend Fahrer und Fahrgäste gibt. Beide Gruppen umkreisen sich und werden immer wertvoller füreinander.
Plattformen schaffen Netzwerkeffekte. Auf einfachster Ebene bedeutet das, dass die Plattform für alle Beteiligten umso wertvoller wird, je mehr Leute mitmachen.
Netzwerkeffekte sorgen dafür, dass konkurrierende Plattformen es sehr schwer haben. Digitale Plattformen haben eine natürliche Tendenz zum Monopol.
Daher kommt der strukturelle Anreiz, die Aktivität der Nutzer möglichst hoch zu halten.
Die Selbstdarstellung auf Social Media, ob in Gruppenchats oder öffentlichen Posts, ist immer idealisiert. Einen Suchverlauf bei Google macht hingegen niemand öffentlich. Dort sieht man zum Beispiel auch, ob jemand nach bestimmten Krankheiten sucht. Das Bild, das Google von seinen Nutzern hat, ist vermutlich etwas authentischer.
Facebook wird nicht dazu betrieben, dass wir alle unsere Ideen austauschen. Sondern damit Werbende mehr Daten über uns erhalten. Das ist die primäre Funktion. Alles andere ist ein Nebenprodukt.
Amazon hat weiterhin riesiges Wachstumspotenzial, Facebook und Google weniger.
Ja, die Idealvorstellung von Amazon wäre, dass es die Konsumgüter in einem vernetzten Haushalt quasi automatisch nachfüllt. Der Verbraucher sagt etwas oder drückt einen Knopf – oder der Kühlschrank schickt gleich selbst die Nachricht, dass irgendwas fehlt – und dann wird sofort ein passendes Produkt geliefert.
Konsum basiert dann weniger auf der Entscheidung von Konsumenten als auf automatisierter Vorsorge. Würden wir überhaupt noch in einem kapitalistischen System leben, wenn es keine Konkurrenz zwischen verschiedenen Angeboten mehr gäbe?
Ich würde sagen, die Konkurrenz findet dann auf der Ebene von Algorithmen statt, nicht mehr auf der von individuellen Entscheidungen.
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Es sind am Ende nicht die Algorithmen der Plattform, sondern ihr Regeln, die den Wettbewerb aufrecht erhalten. Das Problem an den Regeln ist nur, das sie von der Plattform gemacht werden, die damit wiederum ihr Geld verdient.
Das beste Beispiel einer Alternativplattform, das ich kenne, ist <em>Ride Austin </em>in Texas. Es ist eine Art lokales, gemeinnütziges Uber. Geschaffen werden konnte es erst, nachdem Uber und Lyft sich aus Austin zurückzogen, <a class="" href="https://medium.com/@morganlinton/what-will-happen-to-ride-austin-fasten-and-fare-now-that-uber-and-lyft-are-back-in-austin-3d8c5ca030de" target="_blank">weil ihnen sehr hohe Auflagen zur Identifizierung ihrer Fahrer gemacht wurden</a>. Man muss die Monopolplattformen zuerst aussperren, damit sich Alternativen entwickeln können.
Aber die Monopolisten von heute umspannen mehrere Industrien und funktionieren transnational. Ihr Geschäftsmodell macht vor geografischen Grenzen nicht halt. Dafür rechtliche und politische Lösungen zu finden, ist extrem komplex.