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Felix Banaszak über das Linkssein: „Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“ | taz.de
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Felix Banaszak über das Linkssein„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“ Felix Banaszak will Grünen-Chef werden. Ein Gespräch über das Linkssein, Gemeinsamkeiten mit Robert Habeck und Provokationen von Christian Lindner.
3.11.2024 19:50 Uhr Felix Banaszak gestikuliert mit den Händen Will als Grünen-Chef Menschen mit Vermögen stärker in die Pflicht nehmen: Felix Banaszak Foto: imago Tobias Schulze Sabine am Orde Interview von Tobias Schulze und Sabine am Orde taz: Herr Banaszak, in zwei Wochen sind Sie Grünen-Chef. Haben Sie schon Angst?
Felix Banaszak: Angst? Nein. Ich habe Respekt vor der Aufgabe. Aber ich habe auch Bock drauf.
taz: Ihre baldige Vorgängerin Ricarda Lang hat jüngst in einem Interview gesagt, dass sie aus Angst, Angriffsfläche zu bieten, nur noch sehr kontrolliert und glatt gesprochen habe. Am Ende habe sie sich gefühlt wie ein Sprechroboter.
Banaszak: Ich finde diese Reflexion sehr hilfreich. Es ist ja auch ein Appell, sich nicht abschleifen zu lassen. Das ermutigt mich darin, mir treu zu bleiben: zu sagen, was ich denke, und nichts zu sagen, woran ich selbst nicht glaube.
Im Interview: Felix Banaszak 35, Bundestagsabgeordneter aus Duisburg, will die Grünen künftig in einer Doppelspitze mit der Reala Franziska Brantner führen. Der Wirtschaftspolitiker gehört dem linken Flügel an. Von 2018 bis 2022 war er Landesvorsitzender in NRW und 2013 bis 2014 Sprecher der Grünen Jugend.
taz: Seit Ihrer Kandidatur klingen Sie aber auch schon vorsichtiger.
Banaszak: Meine Lokalzeitung hat gerade geschrieben: „Banaszak verspricht: Ich erzähl den Leuten keinen Scheiß.“
taz: Schauen wir mal. Sie verstehen sich als Linker. Was ist überhaupt noch links bei den Grünen?
Banaszak: Links zu sein ist für mich heute etwas anderes als das, was noch vor ein paar Jahren linker Mainstream war. Es ist richtig, sich vor einem imperialen Aggressor wie Wladimir Putin nicht in den Staub zu werfen, um Frieden herzustellen. Dazu gehört gerade auch, das angegriffene Land mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Und ich hadere mit einem Teil der Linken, der den islamistischen Terror der Hamas verharmlost. Meine Linke steht klar gegen Antisemitismus – und sieht das entsetzliche Leid, das die Menschen im Nahen Osten erleben müssen.
taz: Und was ist links bei den Grünen?
Banaszak: Armut als ein gesellschaftliches Problem zu begreifen, das man angehen muss. Die wachsende Ungleichheit nicht einfach hinzunehmen. Und zu fragen, ob man in einer Zeit, in der Hallenbäder und Stadtbüchereien geschlossen werden, Menschen mit immer schneller wachsenden Vermögen nicht stärker in die Pflicht nehmen sollte.
taz: Das war auch Ricarda Langs Ansatz – und jetzt hat sie eingeräumt, dass sie damit gescheitert ist.
Banaszak: Ich würde das so hart nicht sagen. In der Ampel liegt es ja nicht an den Grünen, dass wir die Kindergrundsicherung bisher nicht im Bundestag beschlossen haben oder dass nicht schon zu Beginn der Debatte um das Heizungsgesetz eine soziale Förderung vereinbart werden konnte. Jetzt mag man sagen: Da haben die Grünen es nicht geschafft. Stimmt, noch nicht. Aber wir haben mehr geschafft, als sich manchmal abgezeichnet hatte. Wo wir noch einen langen Weg vor uns haben: das falsche Image loszuwerden, dass wir abgehoben seien und uns für diese Fragen nicht interessieren würden.
taz: Ihnen laufen Wähler*innen aus der Mitte weg – und gleichzeitig Stammwähler*innen, denen die Grünen nicht mehr links genug sind. Was tun Sie dagegen?
Banaszak: Ein Problem scheint mir eher, dass uns einige nicht mehr vertrauen, dass wir trotz aller notwendigen Kompromisse eigentlich nach mehr streben. Das liegt daran, dass wir uns stärker als unsere Koalitionspartner mit Kompromissen als notwendigem Teil der Koalitionsarbeit identifizieren und nicht vor allem kommuniziert haben, was wir alles blöd finden. Auch in Zukunft werden die Grünen nicht Opposition in der Regierung sein. Aber die Partei darf sich auch nicht als ausgelagerte Pressestelle der Regierung verstehen. Sie muss klarmachen, wofür sie weiterhin steht und kämpft. Zum Beispiel beim Klima, wo wir so viel erreicht haben wie keine Regierung zuvor – und trotzdem mehr wollen. Weil es noch nicht reicht.
taz: Viele linke Grüne, auch Sie, hatten in den vergangenen Monaten die Sorge, dass die Partei unter Kanzlerkandidat Robert Habeck zu sehr in die Mitte rutscht.
Banaszak: Eine Partei ist dann stark, wenn sie bei klarer Führung gleichzeitig ihre Vielfalt zur Geltung bringt. Wenn wir die Mitte der Gesellschaft erreichen wollen, brauchen wir ein gefestigtes Fundament und auch die Menschen, die seit vielen Jahren an unserer Seite stehen und jetzt gerade hadern. Die Grünen sind eben eine linke, progressive Partei, Punkt. Ich bin mir sicher, dass Robert Habeck das teilt.
taz: Im Juli haben Sie der Rheinischen Post gesagt: „Robert Habeck muss unter Beweis stellen, dass er die Partei in ihrer Breite mitnehmen kann und will.“ Das klingt schon nach Sorge.
Banaszak: Das war meine Empfehlung, damit das Projekt zum Erfolg wird. Und ich bin mir sicher, dass er genau das tun wird.
taz: Wie kommt es, dass Sie das jetzt anders sehen?
Banaszak: Wir sprechen viel miteinander.
taz: Das Politikmodell von Robert Habeck, anschlussfähig in alle Richtungen zu sein, ist gescheitert. Manche Realos meinen, man muss das Ganze nur konsequenter betreiben. Also: mehr Zugeständnisse bei der Migration und vorsichtiger beim Klima, um die Menschen nicht gegen sich aufzubringen.
Banaszak: Die Idee der Bündnispartei ist: Wir machen grüne Politik mit voller Überzeugung. Aber wir werben auch um diejenigen in der Gesellschaft, für die der Weg dahin weiter ist. Diese Idee finde ich weiterhin richtig. Ich kann meiner Partei nicht empfehlen, ihr Programm aus dem Abwehrkampf gegen eine gesellschaftliche Entwicklung heraus zu entwickeln. Wir müssen selbstbewusst die gesellschaftliche Mitte mit definieren. Dass das gelingen kann, haben wir von 2018 bis 2021 schon einmal bewiesen.
taz: Nehmen wir das Beispiel Migration. Da setzen Sie eine Politik durch, gegen die die Grünen vor ein paar Jahren noch auf die Straße gegangen sind. Dennoch stehen Sie als die da, die alles blockieren. Wie wollen Sie die Deutungsmacht darüber, was die Grünen sind, zurückgewinnen?
Banaszak: Viele, die uns eigentlich nahe stehen, finden uns zu kompromissbereit, während wir in der Breite der Gesellschaft als kompromisslose Ideologen gebrandmarkt werden. Das hat leider oftmals damit zu tun, dass wir intern die Vorurteile bestätigen. Wenn ein Teil meiner Partei fordert, wir müssten uns endlich der Realität öffnen, impliziert er, dass wir bisher dafür blind gewesen seien. Und wenn die anderen sagen, die Grünen seien keine Menschenrechtspartei mehr, bestätigen sie umgekehrt die Kritik aus der Zivilgesellschaft. Mein Weg ist, eine Politik der Differenzierung auch offensiv zu vertreten.
taz: Progressive sind weltweit in der Defensive. Was heißt das für die Grünen?
Banaszak: Mit Blick auf die US-Wahl bin ich noch immer zuversichtlich, dass Kamala Harris gewinnt. Die US-Demokraten haben einen Strategiewechsel vollzogen. Sie verkaufen sich weniger als das kleinere Übel zu Trump, sondern stellen ihre eigenen Vorstellungen nach vorne. Selbstkritisch muss man sagen: Grüne und SPD haben zuletzt zu sehr für sich als Bollwerk gegen die AfD geworben. Das ist aber noch keine überzeugende Antwort auf gesellschaftliche Probleme.
taz: Als Vorsitzender sind Sie eine Schlüsselfigur des linken Flügels. Der ist aktuell nicht gut aufgestellt. In der Personaldebatte konnten Sie Sven Giegold, den Wunschkandidaten der Partei-Linken, nicht als Politischen Geschäftsführer durchsetzen. Schwächt es Sie, dass Ihrem Flügel die Schlagkraft fehlt?
Banaszak: Ich möchte Vorsitzender der gesamten Partei werden. Genau wie Franziska Brantner übrigens. Unsere Politik werden wir so ausrichten, dass sich auch mein Flügel darin wiederfindet. Das ist die Aufgabe aller, die sich um Verantwortung bewerben.
taz: Manche aus dem linken Flügel sagen: dass Sven Giegold nicht Geschäftsführer wird, war Ihre erste Niederlage.
Banaszak: Sorry, aber das ist Quatsch. Sven Giegold hat nie gesagt, dass er Geschäftsführer werden will. Er kandidiert jetzt als stellvertretender Parteivorsitzender.
taz: Vier Wochen lang wurde diskutiert, dass er Geschäftsführer werden will. Als Missverständnis hätten Sie das früher aufklären können.
Banaszak: Bei Spekulationen halte ich mich zurück. Er kandidiert für den Bundesvorstand, und ich freue mich darüber. Damit ist die Frage beantwortet. Wir haben jetzt insgesamt eine Konstellation gefunden, die die Breite der Partei abdeckt und starke politische Köpfe miteinander verbindet. Ich bin fein damit.
taz: „Ich bin fein damit“ – das hat auch Markus Söder gesagt, als Friedrich Merz Kanzlerkandidat wurde.
Banaszak: Ich habe mir vorgenommen, weniger über Herrn Söder zu sprechen als er über uns.
taz: Die Ampel ist in der Krise, ein neues Papier von Finanzminister Christian Lindner wird allgemein als Provokation von SPD und Grünen bewertet. Wie sehen Sie das?
Banaszak: Für solche plumpen Spielchen fehlt mir die Langeweile.
taz: Bekommen wir Neuwahlen oder hält die Koalition bis zur Bundestagswahl im nächsten September?
Banaszak: Wenn ich das mal wüsste. Ich werde jedenfalls nicht aktiv zu einem früheren Wahltermin beitragen.
taz: Wenn die Koalition jetzt bricht: Wären die Grünen nach dem Umbruch an der Spitze überhaupt auf einen Wahlkampf vorbereitet?
Banaszak: Natürlich sind wir das. Aber wer seine Entscheidung über den Fortbestand einer Regierung daran bemisst, wann er sich den größten Vorteil für seine Kampagne verspricht, sollte die Politik anderen überlassen.
taz: Noch mal zurück zur sozia
EU zieht Bilanz: Wann treten Ukraine, Georgien und Moldau wirklich dem Bündnis bei? flip.it Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihre jährliche Bilanz über die Reformfortschritte der zehn EU-Beitrittskandidaten vorgelegt. „Die EU-Mitgliedschaft ist heute mehr denn je eine strategische Entscheidung“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die EU sei wie ein Magnet, der Menschen und Staaten anziehe.
EU zieht Bilanz: Wann treten Ukraine, Georgien und Moldau wirklich dem Bündnis bei? flip.it Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihre jährliche Bilanz über die Reformfortschritte der zehn EU-Beitrittskandidaten vorgelegt. „Die EU-Mitgliedschaft ist heute mehr denn je eine strategische Entscheidung“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die EU sei wie ein Magnet, der Menschen und Staaten anziehe.
„Schon jetzt genießen die Bürger der Erweiterungsländer spürbare Vorteile“, sagte er und nannte als Beispiele den Zugang zum Forschungsprogramm Horizont und erleichterte Visabestimmungen. Wichtig sei aber, dass die Kandidaten auch die Werte und die Außen- und Sicherheitspolitik der EU teilen. „Man kann nicht die Beziehungen zu Russland aufrechterhalten und glauben, man könne Mitglied der EU werden“, so der 77-Jährige. Die EU müsse nicht nur größer, sondern auch stärker werden.
Hauptstadt-Radar Der RND-Newsletter aus dem Regierungsviertel. Immer donnerstags.In Brüssel wiederholte der EU-Außenbeauftragte seine Kritik an der Vielzahl schwerer Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl in Georgien am Samstag und forderte eine unabhängige Untersuchung. In Gesprächen mit den Behörden habe er in den letzten Monaten jedoch einen klaren Trend festgestellt: „Das Land bewegt sich weg von der EU.“ Borrell kritisierte mehrere Gesetze nach russischem Vorbild, darunter die Einschränkung der Rechte von LGBTQ+-Personen. „Diskriminierung ist kein Wert der EU“, stellte er klar.
Das Sorgenkind des Staatenbundes Georgien ist das große Sorgenkind der EU, der Beitrittsprozess liegt bereits seit dem Frühjahr auf Eis. „Angesichts der EU-feindlichen Rhetorik und Wahlmanipulationen ist hier kein Fortschritt zurzeit denkbar“, sagte Grünen-Außenpolitiker Sergey Lagodinsky dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Für die proeuropäische Mehrheit im Land müsse die Tür zur EU aber offen bleiben.
Die EU-Kommission bescheinigte der Ukraine mit Blick auf die Reform des Justizsystems, die Korruptionsbekämpfung und den Schutz von Minderheiten im letzten Jahr bedeutende Fortschritte. Auch die mit dem Kriegsrecht verbundenen Grundrechtseinschränkungen seien verhältnismäßig. Im Sommer fand die erste Beitrittskonferenz statt, bisher seien alle Prüfungen „reibungslos“ verlaufen.
Proteste gegen offizielles Wahlergebnis in Georgien
Staatspräsidentin Surabischwili wirft der Regierungspartei Wahlmanipulation vor. Die Bundesregierung will mit der Anerkennung des Ergebnisses noch warten.
Quelle: Reuters
Ähnlich fällt das Fazit zu Moldau aus. Die Geschwindigkeit, mit der Moldau Reformen vorantreibe und etwa gegen Oligarchen vorgehe, sei bemerkenswert, so die Kommission. Gleichzeitig habe das Land mit der ständigen Einmischung Russlands und den Folgen des russischen Angriffskrieges gegen das Nachbarland Ukraine zu kämpfen. Für nächstes Jahr ist die Eröffnung der nächsten Verhandlungskapitel mit der Ukraine und Moldau vorgesehen. Aus Sicht von Lagodinsky sollte dies lieber früher als später geschehen. „Beide Gesellschaften brauchen Signale der Hoffnung und Stabilisierung sowie Reformdruck“, sagte er. Zusagen zum Beitrittszeitpunkt wollte die Kommission nicht machen, solange noch nicht alle Kapitel abgeschlossen sind.
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie „Der mögliche EU-Betritt der sechs Westbalkanländer, der Ukraine und der Republik Moldau liegt im sicherheits- und geopolitischen Interesse Europas“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister (CDU). Vor einem Beitritt müssten jedoch die vorgegebenen Kriterien vollständig erfüllt werden. „Es darf keine Abkürzungen geben, vor allem wenn es um Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geht“, so McAllister zum RND.
Auch er ist über den zunehmenden Einfluss Russlands auf die Beitrittskandidaten besorgt. „Putin wird weiterhin versuchen, einen imperialen Graben durch Europa zu pflügen, der nicht nur die Ukraine von uns trennen soll, sondern auch die Republik Moldau, Georgien und den westlichen Balkan“, sagte er. Die EU könne sich daher keine Grauzonen mehr erlauben.
Deutsche leisten zu wenig? „Millionär Merz“ hat Bezug zur Lebensrealität verloren flip.it Startseite Politik Stand: 30.10.2024, 20:16 Uhr
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Friedrich Merz plädiert für mehr Leistung im Land. Mit der Lebenswirklichkeit vieler Menschen haben seine Forderungen nichts zu tun, sagt unser Gastautor.
Ein Gastbeitrag des SPD-Bundestagsabgeordneten Macit Karaahmetoğlu.
So richtig wohl schien Friedrich Merz sich nicht zu fühlen, als er am vergangenen Wochenende beim Deutschlandtag der Jungen Union die Bühne betrat. Sein Einmarsch durch die Menge im Stil eines Boxers wurde nicht nur von wummernden Bässen einer Rap- Version des Grönemeyer-Hits „Zeit, dass sich was dreht“ begleitet. Sondern auch von unzähligen Bodyguards, die ihn vom jungen Parteinachwuchs abschirmten. Man konnte den Eindruck gewinnen, der Parteivorsitzende fühle sich unsicher, umgeben von so vielen jungen Menschen.
Friedrich Merz „betreibt Sozialstaat-Bashing“ In seiner Rede wechselte er wahllos zwischen „Sie“ und „Ihr“ sowie „meine Damen und Herren“ und „liebe Freunde“. Auch wenn der Kanzlerkandidat der Union – zu diesem Anlass ausnahmsweise ohne Krawatte – den Anschein erwecken wollte, es wäre anders, ist die Jugend weder seine Lebenswelt noch Komfortzone. Mir fällt bei Merz immer wieder auf: Der Mann ist irgendwie schräg und hat einen damit verbundenen anderen Blick auf die Lebensrealitäten vieler Menschen in unserem Land.
Macit Karaahmetoğlu im Bundestag Gastautor Macit Karaahmetoğlu ist seit 2021 Bundestagsabgeordneter. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag. © Peter Sieben Bürgergeldbeziehenden macht er gern pauschal den Vorwurf, sie würden dieses als bedingungsloses Grundeinkommen ansehen. Inzwischen ein Merz‘scher Klassiker: die Behauptung, Asylsuchende würden den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen. Und ohnehin wird ihm zufolge in unserem Land zu wenig geleistet. Dieser Kanzlerkandidat betreibt völlig schmerzbefreit Sozialstaat-Bashing und stellt das oberste Prozent unserer Gesellschaft, also die absoluten Spitzenverdiener, gern als die wahren Leistungsträger unseres Landes dar. In der sozialdemokratischen Idee für die kommenden Jahre, 95 Prozent der Bevölkerung steuerlich zu entlasten, während die besagten 1 Prozent etwas stärker zur Kasse gebeten werden, sieht Merz einen Angriff auf den Mittelstand.
Merz versus Scholz: „Es klingt, als verachte er diesen Mann“ Zu diesem zählte er sich in einem Interview von 2018 übrigens auch. Im selben Interview gab er preis, etwa eine Million Euro im Jahr zu verdienen. Friedrich Merz und die Lebenswelten – das ist so eine Sache. Merz besitzt ein Privatflugzeug und hat während einer gut zehnjährigen Auszeit von der Politik, dem Vernehmen nach, ein beträchtliches Vermögen angehäuft – als Partner einer Wirtschaftskanzlei, aber auch als Aufsichtsrat bei Privatbanken, Vermögensverwaltungen, der deutschen Börse, Versicherungsunternehmen sowie einem Flughafen.
Diese Goldrauschphase nannte er kürzlich einen „Teil der Lebenserfahrung“, die er im selben Atemzug dem amtierenden Bundeskanzler absprechen möchte. Dieser habe sich ja entschlossen, „auf Dauer und allein Berufspolitiker“ zu werden. Es klingt, als verachte er diesen Mann, Olaf Scholz, dafür, nicht auf die Karte Geld gesetzt, sondern sein Leben in den Dienst an der Gesellschaft gestellt zu haben. Und es stimmt – weder als Rechtsanwalt, der sich vor allem für Arbeitnehmer einsetzte, noch als Bürgermeister Hamburgs oder Arbeits- und Finanzminister der Bundesrepublik, war Olaf Scholz, gesellschaftlich gesehen, ein Spitzenverdiener.
Sein Vater betonte vor einigen Jahren in einem Interview süffisant, auch als Bundeskanzler verdiene Olaf Scholz von seinen drei Söhnen am wenigsten. Und trotzdem steht der Berufspolitiker Scholz in schwersten Zeiten mit nie dagewesenen Krisen da und hält Deutschland auf Kurs. Er ist, ganz unabhängig seines Einkommens – wie viele Millionen fleißige Menschen in unserem Land – ein Leistungsträger. Der Millionär Merz hingegen stellt sich bei der Jungen Union auf die Bühne und stellt den Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins als „Chance“ dar, die Scholz nicht genutzt habe, um Deutschland im Bereich Verteidigungspolitik und darüber hinaus auf einen „neuen Kurs“ zu bringen.
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